Glyphosat-Bewertung: Warum das Bundesinstitut für Risikobewertung zu einem völlig anderen Urteil kommt als die Krebsforscher der WHO
(ots) - Bei der Beurteilung des von der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) als "wahrscheinlich krebserregend"
eingestuften Herbizids Glyphosat hat das Bundesinstitut für
Risikobewertung (BfR) wichtige Studien zur Gentoxizität und
Kanzerogenität nicht berücksichtigt oder fehlerhaft ausgewertet. Dies
geht aus einer Studie des Toxikologen Peter Clausing im Auftrag von
Campact und dem Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) hervor. Clausing hat
den ihm exklusiv zugespielten finalen BfR-Bericht zur Wiederzulassung
von Glyphosat erstmals einer unabhängigen wissenschaftlichen Prüfung
unterzogen. Der Bericht ist die wesentliche Grundlage für die
Entscheidung, ob Glyphosat in der EU für weitere zehn Jahre oder
länger zugelassen wird. Das BfR hält diesen Bericht bislang vor der
Öffentlichkeit geheim.
"Der Bericht des BfR verdreht Tatsachen und verschweigt wichtige
Studien zur Krebsgefahr von Glyphosat oder stellt sie falsch dar. Die
Schlussfolgerung liegt nahe, dass das BfR die Beweislage gegen
Glyphosat mit Absicht geschwächt hat", sagte Clausing. So seien im
Abschnitt zu Gentoxizität 44 wissenschaftliche Publikationen, die
einen gentoxischen Effekt nachwiesen, nicht berücksichtigt worden.
Hersteller-Studien, die keinen krebsauslösenden Effekt beschreiben,
habe das BfR hingegen einbezogen.
"Jetzt wird klar, warum der Glyphosat-Bericht des BfR nicht
veröffentlicht werden soll. Dieser Bericht spielt die
Gesundheitsgefahren von Glyphosat systematisch herunter. Die
Geheimniskrämerei und Vertuschung muss ein Ende haben", sagte Gerald
Neubauer von Campact. Der Bericht des BfR sei vollkommen untauglich
und müsse zurückgezogen werden.
Die engen Verflechtungen zwischen Behörden und Pestizidindustrie
hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) parallel
in einer eigenen Untersuchung analysiert. "Obwohl sie dem
Verbraucher- und Umweltschutz verpflichtet sind, lassen die
Zulassungsbehörden jede kritische Distanz vermissen. Sie handeln wie
Dienstleister der Pestizidhersteller", sagte der BUND-Vorsitzende
Hubert Weiger. "Das Ziel der Hersteller, Wirkstoffe auf den Markt zu
bringen und Gewinne zu maximieren, verzerrt die eigenen
Beurteilungen. Die Pestizidindustrie darf ihre Studien nicht länger
selbst schreiben und bewerten, denn sie unterliegt einem
offensichtlichen Interessenkonflikt", sagte Weiger. Nun müsse das BfR
beweisen, dass es nicht ausschließlich der Öffentlichkeit
vorenthaltenen Hersteller-Studien gefolgt sei. Das BfR müsse außerdem
auf die Hersteller einwirken ihre Studien offenzulegen und so eine
Überprüfung durch unabhängige Wissenschaftler ermöglichen. "Handeln
muss auch der Gesetzgeber. Hauptaufgabe des BfR muss die Vorsorge vor
den Risiken des Pestizideinsatzes sein. Verschließt das
Bundesinstitut für Risikobewertung vor den Glyphosat-Gefahren weiter
die Augen, ist es eher eine Behörde für Risikoverharmlosung", so der
BUND-Vorsitzende.
"Bei der Auswertung von Daten haben Pestizidhersteller einen
gestalterischen Spielraum und können negative Effekte ihrer
Wirkstoffe verschleiern", sagte die BUND-Pestizidexpertin Heike
Moldenhauer. "Die Hersteller treffen außerdem bei unabhängigen
Studien eine Vorauswahl und beurteilen deren Relevanz. De facto
diskreditieren die Hersteller alle unabhängigen Studien. Hersteller
und Behörden sind sich offenbar einig, dass unabhängige Studien im
Zulassungsverfahren nicht zählen. Die Krebsforscher der WHO haben
sich ausschließlich auf unabhängige Studien konzentriert und kamen zu
einem völlig anderen Urteil über die Risiken von Glyphosat als das
BfR", sagte Moldenhauer.
Die Bundesregierung müsse sich jetzt auf EU-Ebene dafür einsetzen,
dass Glyphosat nicht wieder genehmigt werde, forderten die drei
Organisationen. Das System der Risikobewertung, Zulassung und
Kontrolle von Pestiziden müsse grundlegend reformiert werden. Die
EU-Gesetzgebung sei so zu ändern, dass Risikobewertungen im
Zulassungsverfahren nur noch von unabhängigen wissenschaftlichen
Instituten durchgeführt werden. Studien müssten über einen
industrieunabhängig verwalteten Fonds finanziert werden, der sich aus
Gebühren der antragstellenden Firmen speise.
Weitere Informationen:
Zur Studie von Campact und PAN: http://j.mp/glyphosat-studie
Zur BUND-Analyse: www.bund.net/pdf/glyphosat-studie
Gemeinsame Pressemitteilung von Campact, BUND und PAN
Pressekontakt:
Dr. Peter Clausing, Toxikologe, E-Mail: pcl(at)jpberlin.de; Heike
Moldenhauer, BUND-Pestizidexpertin, Tel. 030/27586-456, E-Mail:
heike.moldenhauer(at)bund.net bzw. Annika Natus, BUND-Pressestelle, Tel.
030/27586-425/-489, Fax: -440, E-Mail: presse(at)bund.net, Gerald
Neubauer, Campact-Campaigner, Tel. 0179/7343557, E-Mail:
neubauer(at)campact.de, Jörg Haas, Campact-Pressesprecher, Tel.
04231/957-590, E-Mail presse(at)campact.de
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Datum: 28.09.2015 - 12:01 Uhr
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