Deutschland verschläft Innovationen für den Massenmarkt: Negatives Klima für neue Geschäftskonzepte
(industrietreff) - Lindau/Erlangen - Die zum Jahresanfang gestartete Innovationsoffensive der Bundesregierung kann nur schwerlich kaschieren, dass seit über 20 Jahren in Deutschland zu wenig in Forschung und Entwicklung investiert wird. Auch die Agenda 2010 der Europäischen Union hängt vier Jahre nach ihrem Start weit hinter dem Plan zurück; der Wunsch, Europa in Forschung und Lehre wieder auf höchstes Weltniveau zu bringen und damit für Wohlstand und Arbeitsplätze zu sorgen, wird immer mehr zum Wunschtraum. Aber selbst neue Höchststände bei Entwicklungen und Patenten reichen nicht aus, wenn die Visionen für kommerzielle Umsetzungen fehlen. „Heute existiert in Deutschland ein ausgesprochenes Negativ-Klima für neue Geschäftskonzepte. Wagniskapital fehlt grundsätzlich auf dem deutschen Markt, und die Banken finanzieren nur eigenkapitalstarke Unternehmen, die in berechenbare und somit bereits erprobte Geschäftskonzepte investieren. Komme ich aber als Unternehmer mit der Idee für neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle, werde ich nicht finanziert“, moniert Michael Sander, Geschäftsführer der TCP Terra Consulting Partners GmbH http://www.terraconsult.de in Lindau am Bodensee.
Als Beispiel für das Unvermögen der deutschen Wirtschaft, neue Entwicklungen in marktfähige Produkte umzusetzen, führt Sander Lösungen des Fraunhofer-Institut für integrierte Schaltungen (IIS) in Erlangen http://www.iis.fraunhofer.de an. Am Fraunhofer IIS etwa wurde MP3 entwickelt, der weltweit führende Standard zur Komprimierung und Datenreduktion von Audio-Daten. Das aktuell größte Geschäft mit MP3 macht derzeit aber der amerikanische Computerhersteller Apple http://www.apple.com. Das Geschäft mit dem kleinen MP3-Player iPod erbrachte Apple im letzten Geschäftsjahr fast 250 Millionen Dollar Umsatz. Angekurbelt wurde der iPod-Umsatz dadurch, dass Apple die Download-Plattform iTunes im Internet bereitstellt, um die iPods mit Musik zu versorgen. „Das ist ein typisches Beispiel dafür, wie neue Technologien zum Erfolg gebracht werden könne, selbst ohne dass ein Unternehmen seine Kernkompetenz in dieser Branche hat. Die Kernkompetenz von Apple ist nicht die eines Hardware-Herstellers, sondern die eines Innovators. Design, Lifestyle und Verfügbarkeit sind hier die Erfolgsfaktoren. Apple leistet ist ein gutes Marketing. Für die sehr konservativ denkende deutsche Wirtschaft ist so etwas derzeit kaum vorstellbar“, zieht Sander seine Schlussfolgerung.
Das nächste, ähnlich gelagerte Thema liegt schon an: am Fraunhofer IIS wurde auch die PC-Software für das digitale Mittel- und Kurzwellenradio Digital Radio Mondiale (DRM) entwickelt. DRM soll nach internationalen Vereinbarungen auf den Frequenzbändern bis 30 Megahertz Radio-Übertragungen über große Entfernungen ermöglichen, die der heutigen Qualität auf UKW entsprechen. In Deutschland sind zwar rund 200 Mio. Radioempfänger im Einsatz, was einen enormen Markt darstellt, aber in Sachen kommerzieller Nutzung von DRM tut sich praktisch nichts. Bereits das digitale Radio auf UKW-Frequenzen, Digital Audio Broadcast (DAB), fristet in Deutschland ein unrühmliches Schattendasein und kann schon als Fehlschlag betrachtet werden. Für Sander machen solche Beispiele deutlich, dass es nicht alleine auf die Ausgaben für Forschung und Entwicklung ankommt, sondern auf die Bereitschaft, in neue Dienste und Produkte zu investieren. Und daran mangele es zur Zeit ganz enorm. „Grundlagenforschung und Technologie-Entwicklung alleine reichen nicht. Es muss auch der Mut da sein, in innovative und unkonventionelle Ideen zu investieren. Diese Ideen müssen keineswegs immer in Großprojekte wie Toll Collect und Transrapid münden, wie das Beispiel mit dem iPod von Apple zeigt. Wir brauchen Innovationen, die in die Breite gehen, die einen Massenmarkt generieren“, fordert Sander.
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Datum: 03.09.2004 - 10:50 Uhr
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