Greenpeace veröffentlicht interne TiSA-Papiere: Abkommen bedroht europäischen Datenschutz
Kritische Infrastruktur wie Atomkraftwerke würden unsicherer werden
(ots) - 25. 11. 2016 - Ein Wettlauf um die schwächsten
Standards im Datenschutz droht Europa mit dem geplanten
internationalen TiSA-Abkommen. Dies zeigen interne Dokumente aus der
20. Runde der Verhandlungen, die Greenpeace zugespielt wurden. Darin
heißt es, Bestimmungen einzelner Länder zum Datenschutz dürften keine
"nicht zu rechtfertigende Diskriminierung" und kein "Handelshemmnis"
darstellen. Unternehmen wie Google oder Facebook, deren Geschäft auf
der Nutzung persönlicher Daten basiert, bekämen erheblich mehr
Einfluss. Auch für sensible Einrichtungen wie etwa Atomkraftwerke
drohten Risiken. "TiSA untergräbt auf katastrophale Weise den Schutz
der Menschen", sagt Greenpeace-Handelsexperte Jürgen Knirsch. "Im
Datenschutz soll ausgerechnet die schlechteste Regelung zum
gemeinsamen Standard werden. Richtig wäre es, den höchsten Schutz der
öffentlichen Versorgung als Standard zu setzen. Niemand darf die
Sicherheit der Bevölkerung den kommerziellen Interessen von Konzernen
opfern. Die EU muss TiSA in dieser Form ablehnen." Die TiSA-Texte im
Netz: www.tisa-leaks.org
TiSA, das Trade in Service Agreement, sollte noch in diesem Jahr
beschlossen werden. Der Prozess ist wegen der politischen
Unsicherheit nach der US-Wahl derzeit offiziell ausgesetzt, doch
kommen die TiSA-Verhandler in der zweiten Dezember-Woche zu einem
Zwischentreffen zusammen.
TiSA soll den Handel mit Dienstleistungen zwischen 23 Parteien
erleichtern, darunter die EU und die USA, aber auch Schwellenländer
wie Costa Rica oder die Türkei. Die Verhandlungspartner stehen für
etwa 70 Prozent der weltweiten Dienstleistungen, von
Mobilfunkanbietern über Klinikbetreiber bis zu Energieversorgern. Wie
die umstrittenen Handelsabkommen TTIP und CETA ist auch TiSA bislang
weitgehend geheim verhandelt worden. "TiSA ist ein weiterer schlecht
gemachter Hinterzimmerdeal, der mal wieder Handel über die
Grundrechte der Menschen stellt", sagt Markus Beckedahl,
Chefredakteur des Webportals Netzpolitik.org. "Das Abkommen stellt
die Netzneutralität in Frage, kann Software unsicherer machen und
damit auch eine Gefahr für die Menschen bedeuten. Ein Abkommen mit
derart breiten Auswirkungen muss öffentlich diskutiert werden."
Höheres Atomrisiko durch geplante TiSA-Regeln
Die heute veröffentlichten TiSA-Texte enthüllen auch konkrete
Sicherheitsrisiken. Entgegen früherer Entwürfe erlaubt der neue Text
Staaten nicht mehr, den Quellcode der Programme kritischer
Infrastruktur einzusehen. Künftig könnte ein Land zum Beispiel nicht
mehr die Software eines Atomkraftwerks auf mögliche
Sicherheitsrisiken überprüfen. Auch die Software von Internetroutern,
über die große Mengen persönlicher Daten laufen, könnte nicht mehr
auf mögliche Hintertüren geprüft werden.
Greenpeace wurden 67 Seiten Text aus der 20. Verhandlungsrunde
zugespielt, die am 25. September endete. Obwohl seither erneut
verhandelt wurde, gehen Beobachter davon aus, dass sich die
Positionen nicht grundlegend verändert haben.
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