Expansion im Ausland bringt Jobs im Inland – Doch Experten warnen
(industrietreff) - Bonn/Rheinbach – Die Expansion im Ausland bringt neue Jobs im Inland. Diese für viele überraschende Erkenntnis geht aus „Unternehmertum Deutschland“ hervor, einer Mittelstandsuntersuchung des Lehrstuhls für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepeneurship (Lemex) der Universität Bremen http://www.lemex.uni-bremen.de sowie der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) http://www.whu.edu in Vallendar bei Koblenz und der Unternehmensberatung McKinsey http://www.mckinsey.de. Für die Studie wurden bundesweit 5.000 Unternehmen des industriellen Mittelstandes mit einem Umsatz zwischen 50 Millionen Euro und drei Milliarden Euro zu den Themen Strategie, Führung, Finanzierung, Internationalisierung und Innovation befragt, schreibt das Fachmagazin Wirtschaftsbild http://www.wirtschaftsbild.de, das in seiner aktuellen Ausgabe über die Studie berichtet.
In der öffentlichen Diskussion wird mittelständische Aktivität im Ausland meist mit dem Wegfall von Jobs im Inland assoziiert. Doch die Realität sieht anders aus: Für jeden Arbeitsplatz, den erfolgreiche deutsche Mittelständler im Ausland schaffen, entstehen mehr als zweieinhalb Jobs im Inland. Jörg Freiling, Professor am Fachbereicht Wirtschaftswissenschaft der Uni Bremen und einer der Autoren der Studie, warnt allerdings vor einfachen Rezepten. Ein unüberlegtes Internationalisieren um des Internationalisierens willen führe nicht zum Erfolg. Dies wird deutlich beim unterschiedlichen Abschneiden von gut und schwach positionierten Mittelständlern. Die besten 40 Prozent der Unternehmen aus den untersuchten Branchen haben von 1998 bis 2003 durchschnittlich jeweils 166 Arbeitsplätze im Ausland aufgebaut. Gleichzeitig schufen sie 431 neue Jobs in Deutschland. Bei den weniger erfolgreichen Mittelständlern sieht die Rechnung anders aus: Sie bauten im Durchschnitt 100 Stellen je Unternehmen in Deutschland ab, während ihre Mitarbeiterzahl im Ausland jeweils um 28 stieg.
Erfolgreiche Mittelständler, so die Untersuchung, sind auf allen relevanten Märkten präsent; nicht nur mit Vertrieb, sondern auch mit Produktion, Einkauf und immer häufiger mit Forschung und Entwicklung. Dass immer mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) in Billiglohnländer fließen, bereitet einigen Beobachtern jedoch Kopfschmerzen. „Das Rückgrat der deutschen Industrie wird demontiert – und keinem fällt’s auf“, schreibt die Tageszeitung Die Welt http://www.welt.de. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) http://www.dihk.de spreche bereits von einer „brisanten Entwicklung für den Innovationsstandort Deutschland“. Der kostenbedingten Produktionsverlagerung folge die Verlagerung von Wissen, so der DIHK. Bereits ein Drittel aller Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes baue seine F&E-Kapazitäten im Ausland auf – zu Lasten der deutschen Standorte.
Nach Darstellung der Welt rufen jetzt sowohl Gewerkschaften als auch Industrievertreter nach dem Staat. Dieser solle bei der Verlagerung von Arbeitsplätzen und F&E-Investitionen gegensteuern. So solle das Offshore-Outsourcing nicht mehr mit EU-Mitteln gefördert werden. Außerdem müssen dem Steuerdumping in der EU ein Ende bereitet werden. Beim Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) http://www.zvei.de sieht man dies anders und fordert stattdessen „eine grundsätzlich innovationsfreundlichere Politik in Deutschland, die private Investitionen in moderne Technologien stärker und gezielter fördert“.
Michael Müller, Geschäftsführer der Neusser a & o-Gruppe http://www.aogroup.de und Wirtschaftssenator im Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) http://www.bvmwonline.de, fordert eine Erhöhung der deutschen Innovationskraft, um den Verlust von Wettbewerbsfähigkeit zu stoppen. „Deutschland ist gut in der Grundlagenforschung - aber die Umsetzung in vermarktungsfähige Produkte dauert zu lange“, sagt Müller. "Vor allem die Massenproduktion hochtechnischer Konsumprodukte ist in Deutschland schwach ausgebildet. So wurden zwar die technischen Grundlagen für die weltweit erfolgreiche Kopiertechnik wie auch für die MP3-Technik in Deutschland geschaffen. Aber serienfähige und weltweit erfolgreiche Produkte machten daraus Japaner und Amerikaner. Wir müssen in Deutschland endlich ein entspannteres Verhältnis zu Technik, Fortschritt, Wissenschaft und Entdeckertum bekommen. Andere Nationen feiern ihre Wissenschaftler und Ingenieure, fördern Jungwissenschaftler und verzahnen Hochschulen mit Unternehmen. Unsere Stichwortgeber sind vor allen Dingen Intellektuelle, die vor dem ökonomischen Totalitarismus warnen, Schreckgespenster der Globalisierung entwerfen und sich in einem düsteren Kulturpessimismus ergehen", kritisiert Müller, dessen Unternehmen als Dienstleister für Informationstechnik tätig ist. Von staatlichen Maßnahmen hält Müller wenig. Die Politik solle sich darauf beschränken, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit vernünftiges wirtschaftliches Handeln in Deutschland wieder möglich wird.
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Datum: 29.08.2005 - 16:32 Uhr
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