Plastikatlas: Raus aus der Plastikkrise - Umsteuern auf allen Ebenen, jetzt (FOTO)
(ots) -
Die Welt versinkt im Plastik. Plastik im Boden, im Wasser, in der
Luft. Wir essen Plastik, tragen Plastik als Kleidung am Körper und
cremen uns mit Mikroplastik in Kosmetik das Gesicht. Der heute
veröffentlichte "Plastikatlas" der Heinrich-Böll-Stiftung und des
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) umreißt das Ausmaß
der Plastikkrise und verdeutlicht: Die tatsächlichen Gründe für die
Verschmutzung unserer Umwelt mit Plastik sind nicht ein Problem der
Entsorgung oder der Verbraucherinnen und Verbraucher. Hauptursache
sind insbesondere international agierende Unternehmen, die ihren
Verantwortlichkeiten nicht nachkommen und stattdessen sogar eine
Ausweitung der Plastikproduktion planen.
BUND und Heinrich-Böll-Stiftung fordern von der Politik wirksame
Maßnahmen zur weltweiten Lösung der Plastikkrise, die vor allem auf
eine Reduktion von Produktion und Konsum von Plastik setzen. Neben
Gesetzen zum Endverbrauch müssten jetzt insbesondere die Hersteller
und die petrochemische Industrie als Hauptverursacher in die Pflicht
genommen werden. Eine repräsentative Forsa-Umfrage zeigt, dass
deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher die Hersteller von
Plastikartikeln klar in der Verantwortung sehen: 83 Prozent der
Befragten sind dafür, Abgaben auf Plastikprodukte zu erheben, die von
den Herstellern getragen werden. 86 Prozent der Befragten befürworten
eine stärkere Beteiligung von Unternehmen an den Kosten für
Reinigungsmaßnahmen in Folge der Umweltverschmutzung durch Plastik.
Und sogar 92 Prozent sprechen sich für ein Verbot von
Plastikmüllexporten in Länder mit unzureichenden Umwelt- und
Sozialstandards aus.
"Alle Welt redet über Plastik. Das ist gut so. Doch wir haben ein
unvollständiges und verzerrtes Bild davon, wer und was die globale
Plastikkrise verursacht und wie wir sie anpacken müssten. Verbote von
Strohhalmen, Einwegbechern und Tüten sind ein erster Schritt, sie
werden jedoch eine der größten Umweltkrisen, die den ganzen Planeten
erfasst, nicht beenden", sagt Barbara Unmüßig, Vorstand der
Heinrich-Böll-Stiftung. "Wenigen ist bewusst, dass Kunststoffe
ursprünglich ein Abfallprodukt der petrochemischen Industrie waren.
Bis heute sind ExxonMobil, BASF, Eni, INEOS, und Dow die größten
Plastikproduzenten weltweit. Sie beherrschen mit insgesamt fast 420
Milliarden Euro Umsatz den globalen Markt und planen, die Produktion
in den nächsten Jahren weiter auszubauen - nicht zuletzt als
Alternativstrategie, falls Energie- und Mobilitäts-Wende an Tempo
gewinnen. Die massenhafte Verfügbarkeit der billigen Plastikrohstoffe
Erdöl und Erdgas ist zugleich der Grund dafür, dass faktisch kaum
recycelt wird und eine echte Kreislaufwirtschaft in der
Kunststoffindustrie nicht in Gang kommt. Hier muss jede Strategie zur
Überwindung der Plastikkrise ansetzen: Die Politik muss die großen
Plastik- und Konsumgüterkonzerne in die Verantwortung nehmen", so
Unmüßig weiter.
"Plastik ist ein globales Problem, das uns alle angeht", erklärt
Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender, mit Blick auf das Ausmaß der
Plastikkrise. "Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, schaffen wir
Gesundheits- und Umweltprobleme mit bislang unabsehbaren Folgen für
uns und die nachfolgenden Generationen. Wir rufen die nationalen
Regierungen und die internationale Staatengemeinschaft auf, aktiv zu
werden und dem Plastikwahn einen Riegel vorzuschieben. Der BUND
fordert einen Dreiklang für eine Plastikwende: Verbote von
Schadstoffen und Mikroplastik sowie die Bekämpfung von Plastikmüll."
Deutschland ist einer der größten Standorte für
Kunstoffproduzenten und Kunstoffverarbeiter in Europa. Verglichen mit
seiner Größe trägt Deutschland damit eine beträchtliche Verantwortung
für die weltweite Plastikverschmutzung. Die Wiederverwertung von Müll
ist global und in Deutschland Wunschdenken. Über 60 Prozent des in
Deutschland gesammelten Verpackungsmülls werden verbrannt. Weiger
weiter: "Lange haben wir uns in Deutschland als Recyclingweltmeister
gerühmt, doch die Realität sieht anders aus: Nur knapp 38 Prozent
unseres Plastikmülls werden tatsächlich dem Recycling zugeführt. Und
der Skandal dabei ist: Plastik gilt bereits als recycelt, wenn es ins
Ausland exportiert wird. Nach dem Prinzip ''Aus dem Augen aus dem
Sinn'' exportieren wir und andere Industriestaaten unseren
Plastikabfall in Drittländer und verlagern das Problem somit nur
räumlich. Wir sollten Vorreiter sein, statt unsere Verantwortung
abzuschieben." Vor Ort, zum Beispiel in den Ländern Asiens, hat
diese Wegwerfmentalität des Westens erschreckende ökologische,
soziale und gesundheitliche Auswirkungen. Weiger: "Die notwendige
Infrastruktur zur Bewältigung unserer Müllberge gibt es in diesen
Ländern nicht. Der Müll wird häufig unkontrolliert verbrannt oder
landet auf Deponien und in der Umwelt. Viele Menschen fristen ihr
Leben unter erbärmlichen Umständen und wir leben und konsumieren
weiter sorglos Plastikprodukte."
Die globale Plastikflut wächst exponentiell und unkontrolliert.
Seit Beginn der Plastikproduktion Mitte des 20. Jahrhunderts wurden
rund 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoffe produziert - davon mit 44
Prozent beinahe die Hälfte erst seit dem Jahr 2000. Das entspricht
mehr als einer Tonne Plastik pro Kopf der heutigen Erdbevölkerung.
Jedoch gibt es regional sehr große Unterschiede: In den USA fallen
zum Beispiel im Jahr fünf Mal mehr Müll pro Kopf an als in Indien.
Weiger weiter: "Die Industrienationen zelebrieren einen
verschwenderischen und ressourcenfressenden Lebensstil und sind damit
kein Vorbild."
Barbara Unmüßig sagt: "Plastikartikel benötigen teilweise hunderte
von Jahren, um sich zu zersetzen. Und auch dann bleibt es als Gift in
der Umwelt. Der größte Teil des Plastiks, etwa 40 Prozent, steckt in
Verpackungen und ist damit in der Regel fast unmittelbar Abfall.
Dieser ist vor allem als Meeresmüll inzwischen als Problem erkannt.
Doch die tatsächlichen Ausmaße der Plastikkrise gehen viel weiter:
Die industrielle Landwirtschaft nutzt ebenfalls gigantische Mengen an
Kunststoff. Die Verschmutzung von Böden und Binnengewässern ist je
nach Umgebung zwischen vier- und 23-mal so hoch wie im Meer. Zudem
heizt Plastik die Klimakrise an: Von der Produktion bis zur
Entsorgung entstehen im Laufe des Lebenszyklus von Plastik gewaltige
Mengen an Treibhausgasen und gefährdet das Erreichen der weltweiten
Klimaziele. Hinzu kommen die gesundheitlichen Risiken, die vor allem
durch Mikroplastik und giftige Zusatzstoffe in den Kunststoffen
bestehen. Hier sind vor allem Frauen, Kinder und Neugeborene enormen
gesundheitlichen Risiken ausgesetzt", so Unmüßig.
Mehr Informationen:
Der Plastikatlas der Heinrich-Böll-Stiftung und des BUND
präsentiert auf über 50 Seiten und in zahlreichen Grafiken erstmalig
Zahlen und Fakten rund um eine Welt voller Kunststoffe und bietet
fundiertes Wissen über die Ursachen, die Treiber, die Auswirkungen
und die globalen Zusammenhänge der Plastikkrise.
Er steht unter www.bund.net/plastikatlas zum Download zur
Verfügung. Ebenso sind alle Grafiken und Tabellen einzeln in
verschiedenen Formaten zur freien Verwendung verfügbar.
Die Ergebnisse der Forsa-Umfrage können Sie hier einsehen:
www.bund.net/plastikatlas-umfrage
Pressekontakt BUND:
Rolf Buschmann, BUND-Experte für Ressourcen, Tel.: 030-27586-482,
E-Mail: rolf.buschmann(at)bund.net bzw. Sigrid Wolff und Judith Freund,
BUND-Pressestelle, Tel.: 030-27586-425, E-Mail: presse(at)bund.net,
www.bund.net
Pressekontakt Heinrich-Böll-Stiftung:
Michael Alvarez, Pressesprecher Heinrich-Böll-Stiftung,
Tel.: 030-28534-202, E-Mail: alvarez(at)boell.de bzw. Lili Fuhr,
Referentin Internationale Umweltpolitik, fuhr(at)boell.de,
Tel.: 030-28534-304, Mobil: 0151 40201775, www.boell.de
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Datum: 06.06.2019 - 10:16 Uhr
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