Die älteste Glasmacherfamilie der Welt entdeckt?
(industrietreff) - Es ist ein faszinierendes Szenario, das die 422-seitige Monographie "Die Wurzeln der nordböhmischen Glasindustrie und die Glasmacherfamilie Friedrich" des aus Warnsdorf stammenden Historikers Walter Alois Friedrich von den Ursprüngen des nordböhmischen Glases entwirft. Die Neuerscheinung basiert auf dem gesicherten Grunde des Heimatschrifttums, alter Urkunden und neuer archäologischer Entdeckungen. Mit Logik, Intuition und Einfühlungsvermögen gelingt es dem Autor, den realen Kern alter Volkslegenden durch Einordnung in die zeitgeschichtliche Situation, durch Interpretation archäologischer Funde und namenkundliche Beweisführung freizulegen und historische Zusammenhänge herzustellen, die ganz neue Aspekte bieten.
Friedrichs Frühgeschichte des böhmischen Glases folgt zunächst den verschlungenen Pfaden, die die Glaskunst von ihren Anfängen bis ins mittelalterliche Böhmen nahm, wo vor 750 Jahren die ersten Waldglashütten entstanden. Dass die weltbekannten nordböhmischen Glasorte Haida, Steinschönau und Gablonz ebenso bedeutsame "Vorgänger" im Mittelalter hatten, wusste bis vor zwanzig Jahren kaum jemand. Tschechische Forscher brachten das Geheimnis erst jetzt ans Tageslicht. Ing. Michal Gelnar aus Haida (Nový Bor) spürte jahrelang unermüdlich bei vielen Geländeerkundungen über 40 - sichere oder zumindest "verdächtige" - Hüttenstandorte im Lausitzer Gebirge und in dessen Vorland auf. Eine Konzentration von Glashütten, die wohl einmalig auf der Welt ist. Vor allem der berühmten Glasarchäologin PhDr. Eva Černá aus Brüx (Most) ist es zu verdanken, dass mehrere dieser Hütten nach den akribischen Methoden moderner Bodenforschung ausgegraben und ihnen viele Informationen entlockt wurden. Die frühen deutschen Bewohner Nordböhmens waren es, die hier seit der Mitte des 13. Jahrhunderts Glaswaren von hoher künstlerischer und technischer Reife schufen. Anteil an diesen wirtschaftlichen Erfolgen hatte aber auch der heimische Landadel, der im Hochmittelalter deutsche Glasmacher aus dem Erzgebirge ins Land holte und dadurch die Ressourcen seiner noch menschenleeren Wälder nutzte.
Wie ein roter Faden durchzieht diese Epoche das Wirken einer Glasmacherfamilie, die in der Literatur bisher wenig gewürdigt wurde: der Friedrich, des ältesten und einzigen großen Glasmachergeschlechtes deutschböhmischen Ursprungs. 1433 wurden die Glasmacher Friedrich erstmals urkundlich greifbar. Eher als alle anderen bedeutenden Hüttenmeisterdynastien Mitteleuropas. Lässt man dazu die archäologischen Befunde gelten, dann blies schon um 1250 ein Friedrich Glas. In dem nach ihm benannten Friedrichsdorf im nördlichsten Böhmen. Also 45 Jahre bevor Jacobellus Barovier auf Murano bei Venedig mit seinem ersten Glasofen den Grundstein für die beispiellose Karriere seiner Glasmacherfamilie (die bislang als älteste der Welt galt) legte.
Die nordböhmische Glasindustrie entwickelte sich unter der Gunst ihrer Obrigkeiten erfreulich weiter. Spektakuläre Funde wie z.B. die Bruchstücke des Daubitzer Bechers von ca. 1400 dokumentieren das hohe Niveau, das in Glasqualität und künstlerischem Einfallsreichtum erreicht wurde, bevor Hussiteneinfälle und Adelsfehden der Glasproduktion herbe Rückschläge versetzten, die nur die Friedrichschen Hütten erfolgreich überlebten. Das Buch verfolgt die weitere Entwicklung des nordböhmischen Glases bis zum Jahre 1689.
Aber auch die Karriere der Friedrich war beispiellos. Sie waren nicht nur Mitbegründer der nordböhmischen Glasindustrie und retteten deren Fortbestand über die schrecklichen Hussitenkämpfe und den Dreißigjährigen Krieg hinweg. Sie besaßen von etwa 1502 bis 1689 die Oberkreibitzer Glashütte und waren hier maßgeblich an der Einführung der Emailmalerei in Mitteleuropa und der Entdeckung des "Böhmischen Kristalls" beteiligt. Der brandenburgische Kurfürst Joachim Friedrich und Kaiser Rudolf II. beriefen Martin (II.) Friedrich als bedeutendsten Glasmeister seiner Zeit an ihre Hütten. Noch nie wurde der Werdegang der Friedrichschen "Mutterhütte" bis ins Barockzeitalter so detailliert geschildert.
Der folgenden Ausbreitung dieser Familie von Oberkreibitz aus über viele Länder Europas und ihrer dortigen kunsthistorischen Bedeutung ist die zweite Hälfte des Buches gewidmet. In Schlesien, auf der Böhmisch-Mährischen Höhe, in Tirol, Steiermark und Slowenien sind ihre Hüttenmeisterdynastien aus der Glasgeschichte nicht mehr wegzudenken. Der künstlerischen Entwicklung Südböhmens gaben sie Ende des 16. Jahrhunderts entscheidende Impulse. Von Weißrussland bis Holstein, von Serbien bis Oberbayern fanden die Friedrich Arbeit als Glasmacher, Glasveredler oder Glashändler. Ihre Leistungen in Nordböhmen, im Iser- und Riesengebirge, in den Ostsudeten, in Ostböhmen, im Böhmerwald, auf der Böhmisch-Mährischen Höhe, in Bayern, Tirol, Steiermark, Slowenien usw. vom Spätmittelalter bis heute werden erfasst. Mit einer Fülle an Fakten und mit einigen Entdeckungen, die die Geschichte des Kunsthandwerks ergänzen und bereichern. Weil der Glasmacher als Mensch und Künstler und dessen soziale Stellung stets im Mittelpunkt der Betrachtung steht, entstand hier ein lebendiges, auch für Laien leicht lesbares Sachbuch für Heimatfreunde, Glasliebhaber und Geschichtsinteressierte! Ein Wunder, dass es über diese Familie, die so geniale Nachfahren wie den mehrfachen Erfinder Friedrich Egermann oder den Südamerikaforscher Thaddäus Haenke hervorbrachte, lange Zeit keine geschichtliche Darstellung gab! Mit diesem Lebenswerk will der Autor seinen privaten Beitrag dazu leisten, das kulturelle Erbe seiner deutschböhmischen Vorfahren vor dem Vergessen zu bewahren.
Das Buch erschien im Selbstverlag und kann zum Preise von 28,- € zuzüglich 2,90 € für Porto und Verpackung im Internet unter "www.glasmacher-friedrich.de" bestellt werden.
Bereitgestellt von Benutzer: Friedrich
Datum: 23.11.2005 - 22:32 Uhr
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