Wirtschaftliche Lage der chemisch-pharmazeutischen Industrie / Schwieriges erstes Halbjahr für die Branche
(ots) -
- Produktion sinkt in H1/2019 um 6,5 %, Umsatz geht um 4 % zurück
- Prognose Gesamtjahr: Produktion verringert sich um 4 %, Umsatz
um 3 %
- Klimaschutz ist Verpflichtung und Chance für die Branche
- Positive CO2-Bilanz durch Produkte und Teilnahme am
EU-Emissionshandel
Die chemisch-pharmazeutische Industrie konnte im ersten Halbjahr
2019 nicht an das hohe Niveau des Vorjahres anknüpfen. Angesichts
schwieriger globaler Rahmenbedingungen - langsameres Wachstum der
Weltwirtschaft, schwache Industriekonjunktur in Teilen Europas und
Verunsicherung der Märkte durch die politischen Handelskonflikte -
sank die Produktion im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,5
Prozent. Der deutliche Rückgang von Menge und Geschäftsergebnis hängt
auch mit der Normalisierung des Höhenflugs der Pharmasparte zusammen,
deren Produktion 2018 durch einen Sondereffekt sprungartig gestiegen
war. Der Umsatz von Deutschlands drittgrößter Branche schrumpfte so
im Vergleich zum Vorjahr um 4 Prozent auf knapp 96 Milliarden Euro.
Wie der Verband der Chemischen Industrie (VCI) in seiner
Halbjahresbilanz berichtet, waren nahezu alle Produktbereiche der
Branche von der schwächeren Nachfrage betroffen: Die Produktion von
Spezialchemikalien verringerte sich um 4 Prozent gegenüber dem
Vorjahr, Pharmazeutika lagen durch den Sondereffekt 14 Prozent unter
dem Vorjahresniveau. Die Herstellung von Polymeren sank um 7 Prozent.
Auch die Produktion von Seifen, Wasch- und Reinigungsmitteln fiel um
4,5 Prozent. Trotz der verhaltenen Chemiekonjunktur stieg die
Beschäftigung leicht auf 464.800 Mitarbeiter (+0,5 Prozent).
Die Geschäftserwartungen der Branche sind zurzeit wenig
optimistisch. Der VCI geht allenfalls von einer moderaten Erholung im
weiteren Jahresverlauf aus. "Die Risiken für die wirtschaftliche
Entwicklung bleiben hoch. Es drohen steigende Zölle zwischen den USA
und China und die Gefahr militärischer Konflikte im Nahen Osten nimmt
zu. Sollte es dazu kommen, würde dies den globalen Handel noch weiter
bremsen und hätte deutliche Auswirkungen auf die deutsche Industrie.
Auch die Gefahr eines harten Brexit ist immer noch nicht gebannt",
ordnet VCI-Präsident Hans Van Bylen die Rahmenbedingungen für die
Branche ein.
Vor dem Hintergrund dieses globalen wirtschaftlichen und
politischen Umfeldes hat der VCI seine bisherige Prognose für das
Gesamtjahr 2019 leicht gesenkt. Der Chemieverband in Frankfurt geht
jetzt von einem Produktionsrückgang in der Branche von 4 Prozent aus.
Bei einem erwarteten Preisanstieg von 1 Prozent für
chemisch-pharmazeutische Erzeugnisse dürfte der Umsatz um 3 Prozent
auf knapp 197 Milliarden Euro sinken.
Klima schützen und Wettbewerbsfähigkeit erhalten
Das Thema Klimawandel ist in Deutschland inzwischen ins Zentrum
der gesellschaftlichen und politischen Debatte gerückt. VCI-Präsident
Van Bylen betonte, dass der Schutz des Klimas für die Branche in
mehrfacher Hinsicht große Bedeutung habe. "Wir sehen darin nicht nur
eine Verpflichtung, sondern auch große Chancen. Unsere Branche
leistet mit innovativen Produkten und Verfahren einen erheblichen
Beitrag zum Gelingen der Energiewende und für mehr Klimaschutz." So
werde zum Beispiel durch den Einsatz von Kunststoffen der
Treibstoffbedarf aller Fahrzeuge in Deutschland um 500 Millionen
Liter pro Jahr verringert.
Auch die eigene Bilanz der Chemie beim Klimaschutz ist positiv:
Ihr Ausstoß von Treibhausgasen hat sich seit 1990 halbiert - trotz
eines Anstiegs der Produktion um fast 70 Prozent. Das rührt auch
daher, dass die Branche mit vielen ihrer Anlagen am Emissionshandel
für CO2-Zertifikate teilnimmt, wie Van Bylen erläutert. Industrie und
Energiewirtschaft in der EU unterliegen seit 2005 dem
Emissionshandel. Seitdem ist der Ausstoß von Treibhausgasen beider
Sektoren insgesamt um 26 Prozent gesunken. Damit ist das für 2020
vorgegebene Ziel von minus 21 Prozent bereits übertroffen. "Der
europäische Emissionshandel funktioniert besser als jedes andere
politische Instrument für den Klimaschutz", betont der VCI-Präsident.
Da das System bis 2030 festgeschrieben sei, werde sich der Ausstoß
von Treibhausgasen bis dahin verlässlich um mindestens 43 Prozent
verringern.
Überlegungen, den EU-Emissionshandel zu erweitern oder zu
ergänzen, sieht der VCI deshalb kritisch. Dazu zählt eine
Einbeziehung anderer Sektoren, wie Verkehr und Gebäude, die aus Sicht
des Chemieverbandes zu beträchtlichen Verzerrungen des Systems führt.
Insbesondere eine Einführung eines nationalen CO2-Preises, der auch
Energiewirtschaft und Industrie erfasst, hält der VCI für falsch.
Dadurch werde die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen stark
beeinträchtigt. "Ein nationaler Alleingang macht keinen Sinn. Weder
für das Klima, noch für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit,
Beschäftigung und Wohlstand", unterstreicht VCI-Präsident Van Bylen.
Er verweist dabei auf die Verteilung der globalen CO2-Emissionen
und ihre starke Zunahme in anderen Regionen der Welt. Deutschlands
Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen beträgt aktuell 2,2 Prozent,
die Treibhausgase insgesamt sind seit 1990 um mehr als 30 Prozent
zurückgegangen. Die Wirtschaft in den G20-Ländern steht hingegen für
rund 80 Prozent der globalen Emissionen des Treibhausgases CO2.
Deshalb plädiert der VCI dafür, die politischen Anstrengungen zu
verstärken, eine globale Lösung zu entwickeln. Van Bylen: "Wenn es
gelänge, auf der Ebene der G20 einen gemeinsamen CO2-Preis zu
vereinbaren, würde das deutliche Auswirkungen auf den Klimaschutz
zeigen und zugleich unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit
erhalten."
Der VCI vertritt die wirtschaftspolitischen Interessen von rund
1.700 deutschen Chemieunternehmen und deutschen Tochterunternehmen
ausländischer Konzerne gegenüber Politik, Behörden, anderen Bereichen
der Wirtschaft, der Wissenschaft und den Medien. Der VCI steht für
mehr als 90 Prozent der deutschen Chemie. Die Branche setzte 2018
rund 203 Milliarden Euro um und beschäftigte 462.500 Mitarbeiter.
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Datum: 03.07.2019 - 12:00 Uhr
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