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"AlixPartners Defense Study 2019": Europäische Verteidigungsindustrie schwankt zwischen Konkurrenz und Konsolidierung

ID: 1773597

(ots) -
- Wachstumstrend bei europäischen Verteidigungshaushalten setzt
sich fort
- Deutschland befand sich 2018 mit Ausgaben von 42 Mrd. Euro
(umgerechnet 50 Mrd. US-Dollar) unter den zehn Ländern mit den
größten Verteidigungsbudgets weltweit
- Ausgaben stiegen 2018 in Europa um 2,6% im Vergleich zum Vorjahr
- Rückgang des Exportgeschäfts - besonders im Binnenmarkt - stellt
europäische Industrie vor zusätzliche Herausforderungen
- Gleichzeitig weitere Konsolidierung der Branche prognostiziert
- Profitabilität zum ersten Mal knapp an der 10%-Grenze
- Erstmals erfüllen sieben Staaten das NATO-Bündnisziel i. H. v.
2% des BIP

Die europäische Verteidigungsindustrie ist von Gegensätzen geprägt. Die
verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Ländern stößt auf innereuropäische
Konkurrenz, und kontinuierlich steigende Investitionen stehen neuen Technologien
sowie einer Vielzahl an miteinander konkurrierenden Waffensystemen gegenüber.
Konsolidierung und Kooperation im europäischen Verteidigungsmarkt sind deshalb
so wichtig wie noch nie. Nur so kann die europäische Verteidigungsindustrie
langfristig handlungsfähig bleiben und neben den Wettbewerbern aus den USA
bestehen. Das sind die zentralen Erkenntnisse der "AlixPartners Defense Study
2019". Die heute veröffentlichten Studienergebnisse des internationalen
Beratungsunternehmens basieren auf Interviews mit Branchenexperten und
öffentlich zugänglichen Daten.

Verteidigungsausgaben wachsen und nähern sich weiter dem NATO-Ziel

Der Trend steigender Verteidigungsausgaben hat sich 2018 fortgesetzt. Selbst bei
wirtschaftlich schwacher Entwicklung in einzelnen Ländern bleiben mit dem Druck
der USA, dem angespannten Verhältnis zu Russland und dem nach wie vor
anhaltenden - und sich gerade in jüngster Vergangenheit wieder verschärfenden -




Nahostkonflikt drei Faktoren bestehen, welche die weitere Erhöhung der
europäischen Verteidigungsausgaben vorantreiben.

Deutschland befindet sich neben Großbritannien (42 Mrd. Euro / 50 Mrd.
US-Dollar) und Frankreich (54 Mrd. Euro / 64 Mrd. US-Dollar) aktuell unter den
zehn Ländern mit den größten Verteidigungsbudgets weltweit. Mit ca. 42 Mrd. Euro
(50 Mrd. US-Dollar) investierte Deutschland knapp eine Mrd. mehr als 2017.
Insgesamt haben die europäischen Länder ohne Russland rund 256 Mrd. Euro (303
Mrd. US-Dollar) ausgegeben. Trotz reduzierter Investitionen in Frankreich und
Italien (um je -1,4%) wuchsen die Budgets durchschnittlich um 2,6% im Vergleich
zum Vorjahr. Das bedeutet für Europa eine kontinuierliche Steigerung seit 2014.
Besonders die Regierungen in Zentral- und Osteuropa haben ihre
Verteidigungsetats aufgrund der wahrgenommenen weiter steigenden Bedrohung durch
Russland im vergangenen Jahr erhöht. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die
Ausgaben dort um 12,8%. Den größten Anteil daran hatte Polen mit 10 Mrd. Euro
(12 Mrd. US-Dollar).

Damit haben zum ersten Mal sieben von 26 europäischen NATO-Staaten rund 2% ihres
Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung aufgewendet. 2017 waren es nur drei
Mitgliedsstaaten. Als Konsequenz der deutlichen Mehrausgaben gehören
beispielsweise Polen, Estland und Litauen zu den Staaten, die den NATO-Zielwert
2018 erreicht haben. Der deutsche Wert bleibt im Vergleich zum Vorjahr mit 1,24%
des BIP stabil. Der europäische Durchschnittswert entwickelt sich seit 2015
positiv und liegt aktuell bei 1,5%. Die Studienautoren bewerten dies für die
europäische Verteidigungsindustrie als eine Entwicklung in die richtige
Richtung, da Maßnahmen von großen Mitgliedsländern wie Deutschland eine nicht zu
unterschätzende Symbolwirkung entfalten. Sie sind jedoch skeptisch, ob die
Ausgaben, wie ursprünglich angekündigt, stetig erhöht werden. Denn die Aussagen
der regierenden Politiker waren zuletzt widersprüchlich.

Gesteigerte Profitabilität bei europäischen Unternehmen - 10%-Marke fast
erreicht

Die positive Marktentwicklung bedeutet für die wichtigsten europäischen
Hersteller gleichzeitig eine Steigerung der Margen. In Verbindung mit einem
jährlichen Anstieg der Umsätze um 1,2% seit 2014 konnte 2018 durchschnittlich
eine Gewinnspanne von 9,5% erzielt werden. Trotz dieser Erhöhung bleiben
europäische Hersteller nach wie vor deutlich hinter dem Vergleichswert von 11,6%
bei den zehn größten US-amerikanischen Produzenten zurück. AlixPartners
erwartet, dass die Lücke zu den USA auch langfristig nicht geschlossen werden
kann. Denn nötige Investitionen in die Digitalisierung von Entwicklungs- und
Fertigungsprozessen sowie neue Technologien wie künstliche Intelligenz
reduzieren die Margen zusätzlich.

Europäische Solidarität endet beim innereuropäischen Export

Obwohl der Markt in Europa (2018: +2,6%) ebenso wie global (2018: +2,6%) in den
vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen ist, haben europäische Hersteller
der Verteidigungsindustrie nicht umfassend davon profitiert. AlixPartners
prognostiziert, dass in Zukunft die innereuropäische Konkurrenz zwischen den
Herstellern durch vermehrte gemeinsame Projekte zurückgehen muss, bevor eine
gemeinsame europäische Verteidigungspolitik ihre positive Wirkung entfalten
kann.

Die Entwicklung der Exporte macht den Mangel fehlender Kooperation oder auch
eines mangelnden Vertrauens in die europäische Verteidigungsindustrie besonders
deutlich. Die größten Rüstungsexporteure wie Deutschland, Frankreich und UK
verlieren klar Marktanteile im europäischen Binnenmarkt.

Bei einem langfristigen Vergleich der Fünfjahreszeiträume 2009-2013 vs.
2014-2018 wird deutlich, dass die europäischen Importe zurückgehen. Hier
spiegeln sich teilweise die Auswirkungen der wirtschaftlichen Krise von 2008
wider, die zu reduzierten Verteidigungsbudgets und damit auch allgemein
rückläufigen Importen führte. Bemerkenswert ist jedoch, dass dabei vor allem der
Binnenmarkt, also Importe aus Europa nach Europa, betroffen ist, und Importe aus
nicht europäischen Staaten leicht steigen. Dies ist neben anderen Faktoren vor
allem deshalb der Fall, weil Länder wie Italien, UK und Norwegen ihre Importe
aus europäischen Staaten deutlich reduzieren. Betrachtet man den globalen
Exportmarkt im selben Vergleichszeitraum, ist hingegen ein Wachstum von 7,8% zu
verzeichnen. Dieser Anstieg geht vor allem auf das Konto der USA: Deren
Exportanteil am Gesamtmarkt ist in den definierten Zeiträumen von 30% auf 36%
gewachsen. Dies entspricht einer Steigerung der US-Exporte von 29%. Im Vergleich
dazu ist der Anteil der europäischen Exporte am Gesamtmarkt von 31% auf 30%
leicht gesunken, was immer noch einem Wachstum der europäischen Exporte von 4,2%
entspricht. Auf den europäischen Binnenmarkt bezogen zeigen sich jedoch die
starken negativen Auswirkungen, denn die Exporte sind um 35% zurückgegangen. Der
Gesamtmarktanteil ist dabei von 7% auf 4% und der Anteil am innereuropäischen
Exportmarkt von 22% auf 14% gesunken.

"Der europäische Verteidigungsmarkt wächst perspektivisch durch staatliche
Mehrausgaben sowie die sich beschleunigende europäische Zusammenarbeit weiter.
Die Frage, die sich uns stellt, ist: Warum reagieren europäische Akteure nicht
stärker und vor allem auch schneller darauf? Der weiterhin wachsende Markt
bietet Absatzchancen, die es konsequent zu nutzen gilt. Aus diesem starken
Marktumfeld heraus müssen europäische Hersteller handeln. Sie müssen im globalen
Wettbewerb mehr miteinander als gegeneinander spielen, d. h. sie müssen vermehrt
kooperieren und sich gegenseitig ergänzen, anstatt einander Konkurrenz zu
machen", sagt Stefan Ohl, Managing Director und Defense-Experte bei
AlixPartners.

Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik erhöht Konsolidierungsdruck

Dass innereuropäisches Konkurrenzdenken überkommen ist, zeigen nicht zuletzt die
Entwicklungen, die dem Beschluss zur "Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit"
("Permanent Structured Cooperation", PESCO) folgten. Nachdem der Aufbau einer
gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik lange Zeit vor allem aus
Plänen bestand, werden nun vermehrt konkrete Projekte angestoßen. Auch die Basis
für die mögliche Errichtung einer gemeinsamen Verteidigungsunion bis zum Jahr
2025 wäre damit gegeben.

Die Analyse der großen europäischen Marktteilnehmer zeigt nach wie vor deutliche
Redundanzen in Kernsegmenten. Laut AlixPartners sollte sich das künftige
Verschlanken der Hauptwaffensysteme positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit der
Industrie auswirken und die Voraussetzung für fokussierte technologische
Entwicklungen schaffen. Besonders zwischen den großen europäischen
Rüstungsnationen ist eine verstärkte Kooperation in allen Bereichen nötig. Die
größten aktuellen Hindernisse bei der zeitnahen Konsolidierung der Waffensysteme
sind unklare Zuständigkeiten und langwierige Abstimmungsprozesse zwischen den
europäischen Regierungen. Darüber hinaus hemmen umfangreiche Administrationen
sowie die Tatsache, dass nicht auf bereits bestehenden gemeinsamen europäischen
Strukturen aufgebaut werden kann, eine zügige und zielgerichtete Konsolidierung
gemeinsamer europäischer Waffensysteme.

Ein entscheidender Schritt zur Konsolidierung wurde beispielsweise mit der
Unterzeichnung der Absichtserklärung für zwei Programme zwischen dem deutschen
und dem französischen Verteidigungsministerium vollzogen. Die beiden Länder
nehmen hier eine Vorreiterrolle ein. Ziel ist es, eine paneuropäische
Kooperation aufzubauen, in der mehrere europäische Länder mitwirken. Das Future
Combat Air System (FCAS) unter französischer Leitung ist dabei ein wichtiger
Meilenstein in der deutsch-französischen Zusammenarbeit. Ziel ist die
Entwicklung eines Systems mit bemannten Mehrzweckkampfflugzeugen, unbemannten
Begleitflugzeugen und neuen Waffen- sowie Kommunikationssystemen. Das Main
Ground Combat System (MGCS) ist ein weiteres deutsch-französisches Projekt, in
dem die beteiligten Partner an einem Kampfpanzer arbeiten, der beispielsweise
den Leopard 2 im Jahr 2035 ersetzen soll. Im Marine-Bereich konnten noch keine
vergleichbaren Kooperationen angestoßen werden. Einzelne Hersteller beginnen
jedoch auch hier mit einer ersten projektbezogenen Zusammenarbeit auf
europäischer Ebene.

Um paneuropäische Projekte auch langfristig zum Erfolg zu führen, haben die
Studienautoren klare Empfehlungen formuliert. Oberste Priorität hat demnach ein
klares Anforderungsmanagement, das mehr auf Machbarkeit sowie Exportfähigkeit
und weniger auf die Erfüllung aller Spezialwünsche einzelner Länder ausgerichtet
ist. Dazu müssen Kundenwünsche intelligent, pragmatisch und lösungsorientiert
gesteuert werden. Ziel für die europäischen Unternehmen sollte es deshalb sein,
interne Strukturen vereinfacht neu aufzusetzen, um dauerhaft export- und damit
wettbewerbsfähig zu sein.

"Der Blick auf die Im- und Exporte innerhalb Europas verdeutlicht: Die
europäische Solidarität in der Verteidigungsbranche ist weiter stark
ausbaufähig. Dabei zeigen bestehende Joint Ventures und gemeinsame Programme,
wohin sich die Zusammenarbeit entwickeln kann - und entwickeln muss, wenn man
auf dem globalen Markt langfristig wettbewerbsfähig bleiben möchte. Auffallend
ist, dass es deutliche Unterschiede in der Effizienz und Umsetzungsstärke der
paneuropäischen Projekte gibt. Ziel muss es sein, althergebrachte Strukturen,
Denkmuster und Arbeitsweisen sowie vor allem nationale Egoismen zu überwinden,
um sowohl technologisch als auch wirtschaftlich den weltweiten Anschluss nicht
zu verlieren", sagt Stefan Ohl, Managing Director und Defense-Experte bei
AlixPartners.

Über AlixPartners

Die global agierende Beratung AlixPartners steht für die ergebnisorientierte
Unterstützung namhafter Mandanten bei zeitkritischen und komplexen
Transformations- und Ertragssteigerungsprogrammen. Tiefgreifende
Branchenexpertise und funktionale Kompetenz sowie die Kenntnis der Hebel
erfolgreicher Restrukturierungen ermöglichen es AlixPartners, den Wandel von
Groß- und mittelständischen Unternehmen zielgerichtet zu begleiten.

Vom "manager magazin" und der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management &
Beratung (WGMB) wurde AlixPartners 2018 als bestes Beratungsunternehmen im
Bereich Restrukturierung & Transformation ausgezeichnet. Mit etwa 1.600
Mitarbeitern ist AlixPartners weltweit in mehr als 25 Büros vertreten.
AlixPartners-Berater arbeiten an herausfordernden Projekten, die die Zukunft von
Unternehmen maßgeblich beeinflussen, oft in kritischen Situationen, bei denen
viel auf dem Spiel steht - when it really matters. www.alixpartners.com

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T +49. (0) 89 - 720187 - 18
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