Fraunhofer IGD entwickelt Roboterarm, der eigenständig Kulturgüter in 3D scannt und kooperiert mit Phase One
Der digitale Zwilling hält Einzug in der Museumswelt
(industrietreff) - Das Fraunhofer IGD aus Darmstadt hat ein Produkt entwickelt, das Museen die Digitalisierung ihrer Sammlungen vereinfacht und kooperiert nun mit dem dänischen Kamerahersteller Phase One. Der mobile Scanner CultArm3D liefert auf Knopfdruck präzise 3D-Modelle von Ausstellungsstücken verschiedener Größe.
Ein virtuelles Abbild der Sammlung zu erstellen, bringt Museen und Ausstellungen nicht nur Vorteile, wenn Besucher vor verschlossenen Türen stehen und virtuell auf Entdeckungstour gehen müssen. "3D-Modelle haben eine enorme Bedeutung für die Forschung und können helfen, Objekte und ihre Herkunft besser zu verstehen und ihre Eigenschaften zu analysieren. Sie sind aber auch die Grundlage für eine Visualisierung in Virtual- und Augmented Reality und bei der Erstellung farbechter physischer Repliken im 3D-Druckverfahren", erläutert Pedro Santos, Abteilungsleiter am Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD. Seit vielen Jahren befassen er und sein Team sich mit großformatigen 3D-Scantechnologien, insbesondere der Digitalisierung von Kulturgütern. Da hier kein Objekt dem anderen gleicht, ist diese Aufgabe besonders anspruchsvoll. Durch viele Gespräche mit Museen war ihnen klar: bei der 3D-Digitalisierung ganzer Sammlungen müssen einerseits die Ergebnisse in höchster Qualität vorliegen, andererseits muss das System einfach zu bedienen, mobil einsetzbar und dennoch sicher sein.
Hochauflösende und farbechte 3D-Scans - standardkonform
Das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen deutschem Forschungsinstitut und dänischem Kamerafabrikanten ist der Roboterarm CultArm3D. Ausgerüstet mit einer Phase One iXG 100 Megapixel Kamera, den autonomen Scanalgorithmen des Fraunhofer IGD und ergänzt durch speziell entwickelte Ringlichter für eine optimale Ausleuchtung, scannt er Objekte eigenständig aus allen Winkeln ein und erstellt in kürzester Zeit detaillierte 3D-Darstellungen in hoher Qualität. Denn nur wenn die virtuellen Modelle gut genug sind, können Wissenschaftler sie nach Belieben analysieren und mit Modellen anderer Objekte vergleichen, was unter Umständen fragile Objekte im Original nur bedingt zulassen oder verkraften würden.
Besonderes Augenmerk der Entwickler am Fraunhofer IGD lag auf Objekten mit anspruchsvollen Oberflächengeometrien, wie beispielsweise glänzende oder reflektierende Objekte aus Gold und Bronze mit komplexen Hinterschneidungen. Dabei werden sowohl bei der Systemkalibrierung (basierend auf ISO/TS 19264 und VDI/VDE 2634) als auch bei den Objekt-Metadaten und digitalen Modelldaten (basierend auf Europeana Data Model, 3D Task Force und CARARE) alle gängigen Standards und internationalen Empfehlungen eingehalten, was eine wiederholbar hohe Qualität hinsichtlich Geometrie, Texturen und Farbe sicherstellt - ein Novum auf dem Markt.
Sicheres und einfaches Bedienkonzept
Der Betrieb des Scanarms ist unkompliziert und kann vom Museumspersonal selbstständig durchgeführt werden. Die integrierte Software führt die Benutzer während der ersten Einrichtung durch einen kurzen Kalibrierprozess, der nur einmalig bei Inbetriebnahme des Systems durchgeführt werden muss. Dann werden die Objekte nur noch in der Mitte des mitgelieferten Drehtellers positioniert und auf Knopfdruck startet der Scanvorgang - alles Weitere geschieht vollautomatisch. Dabei muss das Museum nicht um seine wertvollen Ausstellungsstücke bangen: das Design beinhaltet verschiedene Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Scanobjekte, wie sie sich auch in der Industrie bewährt haben. Ein Beispiel ist das automatische Einrasten der Gelenke des Scanarms bei Stromausfall.
Automatisierter Workflow
Ein schneller Vorabscan führt zu einem ersten grundlegenden Verständnis der Größe und Form des individuellen Objekts. Eine dynamische Ansichtenplanung stellt während des Scanprozesses sicher, dass alle für den Sensor sichtbaren Details des Objekts, mit der minimalen Anzahl von Bildern, in optimaler Schärfe und farbecht erfasst werden. Selbst anspruchsvolle, reflektierende Materialien und komplizierte geometrische Hinterschneidungen der Oberflächen werden erfasst. Bei reflektierenden Oberflächen macht dies den Einsatz von mattierendem Spray zur Erfassung ihrer Geometrie überflüssig. Bei komplexen Objektgeometrien wird manuelles post-processing der 3D-Modelle minimiert oder meist vollständig eliminiert. Die dynamische Ansichtenplanung setzt ihre Arbeit so lange fort, bis die vom Benutzer definierten Qualitätsziele hinsichtlich minimaler Abdeckung und Auflösung erreicht werden. Im Anschluss daran kann das finale 3D-Modell in verschiedenen Formen ausgegeben werden, beispielsweise als hochaufgelöstes Video in 2D oder 3D, als 3D-Web-Modell, für Virtual- und Augmented Reality Präsentationen oder als Druckdatei für einen 3D-Drucker. Dabei werden alle gängigen 3D-Standardformate und viele weitere Ausgabeformate bedient.
Skalierbar und mobil
Es gibt zwei Modelle des CultArm3D für Objekte bis zu einer Höhe von einem Meter und einem Gewicht bis 60 kg. Größere Scanvolumina und Gewichte können auf Wunsch ermöglicht werden. Der Scanarm ist mobil und durch sein geringes Gewicht einfach zu transportieren. Er benötigt vor Ort lediglich eine reguläre Stromversorgung, was das Scannen von Sammlungen an verschiedenen Standorten ermöglicht.
3D-Scantechnologie bereits im Einsatz
Der Scanarm ist in seinen bisherigen Entwicklungsstufen bereits bei Museen und Archiven im Einsatz, beispielsweise im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe, in der Thüringer Landes- und Hochschulbibliothek an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und demnächst in der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt. In Karlsruhe ist der Scanner des Fraunhofer IGD in das Besucherkonzept eingebunden, so dass diese eigenhändig, unter Anleitung, Objekte des Museums in 3D scannen und sich im Anschluss von den Ergebnissen ihrer Arbeit an interaktiven Touch-Tischen oder über eine VR-Brille überzeugen dürfen.
Evaluiert und eingesetzt wurde er bereits am The Getty in Los Angeles, am REM in Mannheim, in der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK), an der Saalburg oder an der Keltenwelt am Glauberg, wo verschiedenste Sammlungen in 3D digitalisiert wurden. Die Rückmeldungen aus der Praxis gaben den Entwicklern wertvolle Hinweise für Verbesserungen. Interessierte Museen können sich für eine Kooperation direkt an das Fraunhofer IGD wenden. Zusätzlich zur Installation des CultArm3D erhalten alle Mitarbeiter eine ausführliche Einweisung und Schulung vor Ort. Eine fortlaufend auf dem neuesten Stand gehaltene Online-Dokumentation ergänzt das Gesamtpaket. Ab 2022 ist ein Vertriebskanal über Phase One geplant.
Weitere Informationen:
- Videos des CultArm3D in Betrieb und eine Präsentation bereits gescannter Objekte: https://www.cultarm3d.de
- Alles zur Forschung im Bereich 3D-Scan des Fraunhofer IGD: https://www.igd.fraunhofer.de/kompetenzen/technologien/3d-scanning
- Download Produkblatt: https://we.tl/t-1WuQ1w87C5
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Unternehmensinformation / Kurzprofil:
Das 1987 gegründete Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD ist die international führende Einrichtung für angewandte Forschung im Visual Computing, der bild- und modellbasierten Informatik. Wir verwandeln Informationen in Bilder und Bilder in Informationen. Stichworte sind Mensch-Maschine-Interaktion, Virtual und Augmented Reality, künstliche Intelligenz, interaktive Simulation, Modellbildung sowie 3D-Druck und 3D-Scanning. Rund 180 Forscherinnen und Forscher entwickeln an den drei Standorten Darmstadt, Rostock und Kiel neue technologische Anwendungslösungen und Prototypen für die Industrie 4.0, das digitale Gesundheitswesen und die "Smart City". Durch die Zusammenarbeit mit den Schwester-Instituten in Graz und Singapur entfalten diese auch internationale Relevanz. Mit einem jährlichen Forschungsvolumen von 21 Mio. Euro unterstützen wir durch angewandte Forschung die strategische Entwicklung von Industrie und Wirtschaft.
Fraunhoferstraße 5, 64283 Darmstadt
Datum: 23.02.2021 - 10:00 Uhr
Sprache: Deutsch
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Ansprechpartner: Daniela Welling
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Kategorie:
Forschung und Entwicklung
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