Die zukünftige Energiepolitik der Bundesregierung
Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie Rainer Brüderle anlässlich des BDEW Kongresses 2010
(PresseBox) - .
- Es gilt das gesprochene Wort!
Das Thema Energiepolitik hat für mich als Wirtschaftsminister entscheidende Bedeutung.
Wir stehen vor wichtigen Weichenstellungen:
Wir arbeiten mit Hochdruck an einem Energiekonzept. Dieses Konzept soll uns Wege aufzeigen, wie wir bis 2050 unsere ehrgeizigen Klimaschutzziele möglichst effizient und wirtschaftlich erreichen können.
Wie im Koalitionsvertrag angekündigt gehen wir jetzt endlich das Thema Laufzeitverlängerung an.
Wir wollen für mehr Wettbewerb in den Energiemärkten sorgen. So setzt die kürzlich verabschiedete Gasnetzzugangsverordnung Impulse für mehr Wettbewerb auf dem Gasmarkt.
Bei der geplanten Absenkung der Vergütungssätze für Photovoltaikanlagen sind wir mitten in der Verlängerung, wenn man die Sprache des Fußballs aufgreifen will. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass wir bald eine angemessene Regelung in Kraft setzen können.
Die öffentliche Diskussion dieser Themen zeigt:
Energiepolitik ist kontrovers.
Energiepolitik beschäftigt die Menschen in unserem Land.
Die Weichenstellungen von heute prägen über Jahrzehnte unsere Versorgungsstrukturen.
Deshalb wollen in der Energiepolitik viele mitspielen und sich einbringen.
Auch wenn es nicht immer zu erkennen ist: Das Ziel der Energiepolitik ist weitgehend unstreitig.
Wir wollen das Zeitalter der regenerativen Energien schnellstmöglich erreichen.
Unterschiedliche Auffassungen gibt es allerdings darüber, wie wir dieses Ziel am besten erreichen.
Bei Fußball geht es in diesen Tagen um den Weltmeistertitel. Und Deutschland mischt bei dem Rennen um den Titel erfreulicherweise noch kräftig mit!
Auch beim Klimaschutz wollen wir als Deutsche gerne Spitzenreiter sein.
Klimapolitisch ist diese Koalition so ehrgeizig wie keine Bundesregierung zuvor.
Auch das Bundeswirtschaftsministerium hat hier eine klare Position bezogen.
Wir unterstützen das Bekenntnis zu einer umfassenden CO2-Reduzierung nachdrücklich.
Mir ist aber wichtig, dass wir unsere Wettbewerbsfähigkeit dabei nicht aus dem Blick verlieren.
Mit einer Abwanderung von Produktion und Investitionen in Länder ohne vergleichbaren Klimaschutz, ohne vergleichbare Konzepte oder Vorstellungen wäre weder der Umwelt gedient, noch wäre dies industriepolitisch tragbar.
Anders als beim Fußball können beim Klimaschutz die Länder nur gemeinsam gewinnen oder verlieren.
Beim Klimaschutz müssen alle Staaten mitmachen, zumindest alle Industriestaaten und solche Staaten, mit denen wir im Wettbewerb stehen.
Wenn jeder mitspielen und gewinnen will, können wir uns auch über den Titel des Klimaschutzweltmeisters anschließend freuen.
Deutschland darf aber nicht als einsamer Vorreiter seine Wettbewerbsfähigkeit preisgeben.
Leider war Kopenhagen eine Enttäuschung.
Unser Ziel für den weiteren Prozess bleibt jedoch klar: Wir müssen beim globalen Klimaschutz vorankommen.
Deutschland und Europa müssen hier weiter Spitze sein. Die anderen müssen aber auch nachziehen - und zwar nicht irgendwann in ferner Zukunft, sondern in einem überschaubaren Zeitfenster.
Es darf kein isoliertes europäisches Vorpreschen beim Klimaschutz geben.
Anspruchsvollere europäische Klimaschutzziele darf es nur im Rahmen eines internationalen Klimaschutzabkommens geben, das vergleichbare Anforderungen an die anderen großen Emittenten stellt.
Das ist die Meinung des BDEW. Das ist auch meine Meinung.
Ich begrüße, dass die Europäische Kommission nach unseren Beratungen ebenfalls zu dieser Einsicht gekommen ist.
Natürlich entstehen durch den Klimaschutz auch enorme Chancen für unsere Industrie - gerade im Bereich der Umwelt- und Klimaschutztechnologien.
Zu einer ehrlichen Politik gehört es aber, auch deutlich zu sagen, dass mit ehrgeizigen Klimazielen auch Kosten verbunden sind.
Umsonst ist im Leben nichts zu haben, auch nicht in der Energiepolitik.
Es geht also darum, Ökonomie und Ökologie sinnvoll miteinander zu verbinden.
Was dies bedeutet, wird auch Gegenstand des Energiekonzepts sein, an dem wir mit Hochdruck arbeiten.
Die Richtung und das Ziel des Energiekonzeptes sind klar:
Die konventionellen Energieträger sollen im Rahmen eines dynamischen Energiemixes kontinuierlich durch alternative Energien ersetzt werden.
Die Kernenergie ist dabei - neben der Nutzung von sauberer Kohle - eine Brücke auf dem Weg dahin. Eine Brücke, die wir noch eine ganze Weile brauchen.
Der konsequente Ausbau der erneuerbaren Energien und eine weitere Erhöhung der Energieeffizienz ist notwendig. Darüber besteht Konsens.
Umstritten ist, wie wir unsere Ziele am besten erreichen.
Es kann nicht Aufgabe des Konzeptes sein, eine heile Energiewelt zu zeichnen und sich Träumereien hinzugeben.
Stattdessen müssen wir Wege aufzeigen, wie die Energieversorgung auch bei unseren ambitionierten Klimaschutzzielen im Jahr 2050 noch möglichst sicher und bezahlbar bleibt!
Wir sind ein Industriestandort und wir wollen dies auch 2050 noch sein.
Es hat sich gerade bei den weltweiten Einbrüchen der Wirtschaft gezeigt, dass es gut ist, eine starke industrielle Basis zu haben.
Um zu sehen, wie wir dies sicher stellen können, lassen wir die möglichen Szenarien für das Energiekonzept von wissenschaftlichen Instituten errechnen.
Die Ergebnisse werden uns Ende August vorliegen.
Das Energiekonzept werden wir deshalb wie ursprünglich geplant im Herbst vorlegen. Qualität geht hier eindeutig vor Tempo!
Aus Sicht des Wirtschaftsministeriums müssen wir die Szenarien mit einer ökonomischen Analyse verbinden.
Wir müssen klären, was ein Szenario für Wirtschaft und Verbraucher bedeutet.
Und wir müssen herausfinden, wie man die Klimaschutzziele mit möglichst geringen gesamtwirtschaftlichen Kosten erreichen kann.
Ich erwarte von den Instituten eine solide gesamtwirtschaftliche Abschätzung, wie die Klimaschutzziele am ökonomisch günstigsten erreicht werden können.
Ziel ist es, die möglichen Maßnahmen mit einem klaren Preisschild zu versehen.
Wir wollen nicht nur an quantitativen Zielschrauben drehen nach dem Motto: Je mehr, desto progressiver!
Es geht um qualitative Elemente zukünftiger Energiepolitik: marktorientiert, technologieoffen - und das steht auch im Koalitionsvertrag.
Wir werden auch über die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke reden.
Ich will aber klar sagen: Wir machen in Deutschland kein Kernenergie- und auch kein Klimaschutzkonzept. Wir machen ein Energiekonzept!
Wir dürfen die Diskussion nicht allein auf die Kernenergie verengen. Auf dem Weg hin zu einer Energiepolitik der Zukunft stellen sich uns noch viele andere Herausforderungen.
Wichtige Fragen sind:
Wie garantieren wir die Versorgungssicherheit im Allgemeinen und speziell beim Strom?
Was bedeutet Energieeffizienz konkret für Bürger und Industrie?
Welche Rolle spielen zukünftig Öl, Gas und Kohle?
Gerade beim Öl ist die Frage, ob die schreckliche Katastrophe im Golf von Mexiko den Abschied beschleunigt.
Vernünftig ist es, das Thema Laufzeitverlängerungen der Kernkraftwerke parallel zum Energiekonzept anzugehen.
Ich habe mich immer für eine signifikante, wesentliche Laufzeitverlängerung ausgesprochen.
Entscheidend sind dabei die absehbaren volkswirtschaftlichen Vorteile:
Längere Laufzeiten führen zu geringeren Strompreisen und niedrigeren CO2-Preisen.
Ohne längere Laufzeiten würde auch die Abhängigkeit vom Ausland wegen erhöhter Energieimporte zunehmen.
Es gibt allerdings keinen Computer oder Wissenschaftler, der uns eine objektive Zahl liefern könnte, wie lange wir die Kernkraftwerke in Deutschland noch weiter betreiben sollen.
Das ist letztlich eine politische Entscheidung - unter Abwägung der Vorteile und Nachteile.
Das Energiekonzept kann hierfür einen Impuls liefern.
Bei den Fragen um die Laufzeitenverlängerung hat sich der eine oder andere in den letzten Monaten durchaus zögerlich gezeigt.
Sanfter Druck ist deshalb hilfreich und notwendig.
Auch der Klimaschutz spricht für längere Laufzeiten.
Wir wollen unsere Klimaschutzziele bis 2050 auf eine ökonomisch sinnvolle Art und Weise - also möglichst effizient - erreichen.
Bereiche wie etwa die Landwirtschaft oder die Industrie können ihre Treibhausgasemissionen nicht beliebig senken.
Deshalb kommt der Energieerzeugung eine zentrale Rolle zu.
Wir brauchen bis 2050 eine weitgehend CO2freie Energieerzeugung.
Heute haben wir bereits einen Anteil an CO2freier Stromerzeugung von 40 Prozent.
Längere Laufzeiten kombiniert mit dem weiteren Ausbau erneuerbarer Energien können diesen Anteil weiter steigern.
International stehen wir mit dieser Auffassung gewiss nicht alleine da.
Wir sollten uns keine nationalen Alleingänge leisten, die den Klimaschutz über Gebühr verteuern.
Wie im Koalitionsvertrag angekündigt, wollen wir den wesentlichen Teil der Gewinne aus einer Laufzeitverlängerung abschöpfen.
Eckpunkte zur Einführung einer Brennelementesteuer sind bei der Haushalts-Klausur Anfang Juni beschlossen worden.
Klar ist für mich, dass es einen eindeutigen politischen Zusammenhang zwischen einer Brennelementesteuer und deutlich längeren Laufzeiten gibt. Das zu trennen, macht politisch, aber auch ökonomisch keinen Sinn.
Klar ist für mich aber auch, dass der Weiterbetrieb aller Kernkraftwerke möglich sein muss.
Wir brauchen jetzt keinen Wettstreit möglichst vieler verfassungsrechtlicher Gutachten zu der Frage, ob eine Laufzeitverlängerung der Zustimmung durch den Bundesrat bedarf.
Fragt man vier Verfassungsrechtler, hört man mindestens fünf Meinungen.
Die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz bestätigt aber unsere Rechtsauffassung.
Danach ist die reine Verlängerung der Laufzeiten nicht zustimmungspflichtig.
Klar ist auch: Längere Laufzeiten sind kein Signal gegen den Wettbewerb!
Wir sehen es als eine zentrale Aufgabe an, den Wettbewerb bei Strom und Gas weiter zu stärken.
Deshalb werden wir die Forderung aus dem Kreis der Stadtwerke sehr ernst nehmen, die Laufzeitverlängerung möglichst wettbewerbsneutral auszugestalten.
Allerdings sollen längere Laufzeiten ja gerade strompreisdämpfende Effekte haben.
Eine künstliche Verknappung des Angebots, um die Preise hoch zu halten, würde deshalb dieser Grundidee widersprechen.
Sie können von mir nicht erwarten, dass ich für höhere Strompreise eintrete.
Deshalb ist es gut, dass im Strom- und Gasbereich der Wettbewerb in den letzten Jahren spürbar in Gang gekommen ist.
Einiges hat sich getan:
Einführung der Anreizregulierung der Netzentgelte, erleichterter Netzanschluss für neue Kraftwerke, verstärkte Aufsicht gegen Preismissbrauch und nicht zuletzt erleichterter Anbieterwechsel für die Verbraucher.
Derzeit haben wir den Gasmarkt im Blick. Für wichtige Wettbewerbsimpulse sorgt die kürzlich vom Kabinett verabschiedete Gasnetzzugangsverordnung.
Es ist kein Geheimnis, dass die Bedingungen für den Wettbewerb auf dem Gasmarkt verbesserungswürdig sind.
Wegen langfristig ausgebuchter Kapazitäten war besonders der Markteintritt neuer Teilnehmer schwierig.
Drei wesentliche Instrumente prägen deshalb die neue Gasnetzzugangsverordnung:
Wir reduzieren bis zum Jahr 2013 die Zahl der Marktgebiete von sechs auf zwei. Dadurch werden die Lieferangebote für neue Lieferanten attraktiver.
Wir erleichtern den Zugang zu den knappen Transportkapazitäten, indem wir einen größeren Teil der Kapazitäten für kurzfristige Buchungen zur Verfügung stellen.
Wir erleichtern den Netzanschluss neuer Gaskraftwerke. Wir geben Betreibern das Recht, Kapazitäten für maximal drei Jahre zu reservieren.
Wichtig ist mir bei allen energiepolitischen Maßnahmen:
Wettbewerb muss gefördert, nicht behindert werden.
Das gilt auch für das Thema Wasser.
Die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Kontrolle von Wasserpreisen ist nicht überall auf Gegenliebe gestoßen.
Der BGH stärkt die Rolle des Kartellrechts, um nicht nur beim Wasser gegen missbräuchlich überhöhte Preise vorzugehen.
Gerade bei natürlichen Monopolen, wie etwa in der Trinkwasserversorgung, können wir darauf nicht verzichten.
Die Wasserbranche steht deswegen aber nicht unter einem Generalverdacht.
Angemessene Wasserpreise sind sicher die Regel. Ausnahmen bestätigen aber bekanntlich die Regel.
Den entscheidenden strukturellen Unterschied zwischen privaten und öffentlichrechtlichen Anbietern konnte der BGH nicht auflösen:
Während private Anbieter dem strengeren Kartellrecht unterliegen, werden die Wassergebühren der öffentlichrechtlichen Versorger durch die Kommunalaufsicht geprüft.
Die nun teilweise angekündigte Reaktion der "Flucht in die Gebühren" sollte nicht die Konsequenz aus der Entscheidung des BGH sein.
Stattdessen muss es darum gehen, mehr Transparenz bei der Kostenberechnung herzustellen.
Die Aktivitäten des BDEW zum Thema Wasserpreise will ich vor dem Hintergrund ausdrücklich loben und positiv hervorheben.
Ich denke etwa an die Bereitstellung von Kalkulationsleitfäden oder die Transparenzinitiative.
Wettbewerb muss auch bei der Förderung der erneuerbaren Energien stärkeres Gewicht haben.
Wir wollen die erneuerbaren Energien möglichst schnell zur Marktreife führen.
Angesichts der erfolgten Preissenkungen im Markt ist nur sachgerecht, die bestehende Überförderung bei der Vergütung von Solarstrom abzuschmelzen.
Nur so vermeiden wir ausufernde Kosten und reine Mitnahmeeffekte.
Die EEG-Novelle Photovoltaik hängt derzeit im Vermittlungsausschuss.
Ich hoffe auf dessen Weisheit. Denn wir müssen an dieser Stelle auch die Kosten für den Stromverbraucher im Blick behalten.
Allein im nächsten Jahr dürfte der Strompreis durch die gestiegene Förderung erneuerbarer Energien um 10 Prozent steigen.
Für den Start ins regenerative Zeitalter ist es entscheidend, den Strom genau dann zum Verbraucher zu transportieren, wenn er gebraucht wird.
In den letzten Jahren haben wir die erneuerbaren Energien häufig nur von der Erzeugerseite aus betrachtet.
Nun muss auch die Infrastruktur wesentlich stärker ins Blickfeld gerückt werden.
Das große Thema der nächsten Jahre wird der notwendige Ausbau der Stromnetze und der Ausbau und die Erforschung von Speichertechnologien sein.
Bei den Stromnetzen stehen wir vor großen Herausforderungen:
Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien wird die Stromerzeugung volatiler und weniger planbar.
Die Volatilität ist enorm: Allein Mitte Januar schwankte die Einspeisung aus der Windenergie zwischen wenigen hundert und 18.000 Megawatt.
Ich erinnere auch an den 3. Oktober oder den zweiten Weihnachtsfeiertag 2009, als hohe Windeinspeisungen gepaart mit schwacher Nachfrage für negative Preise an der Strombörse sorgten.
Man musste für den Strom also nicht bezahlen, sondern bekam sogar Geld dafür.
Die starken Preisschwankungen mit zum Teil negativen Preisen müssen wir ernst nehmen:
Zum einen werden sie infolge des weiteren Ausbaus der erneuerbaren Energien künftig häufiger auftreten.
Zum anderen werden die Kosten, die damit einhergehen, letztlich auf den Verbraucher umgelegt und weiter gewälzt.
Deshalb hat das Bundeswirtschaftsministerium in einer jetzt veröffentlichten Studie die Ursachen für die negativen Strompreise näher untersuchen lassen.
Das Ergebnis der Studie unterstreicht die Notwendigkeit, dass wir mittelfristig den Strom aus erneuerbaren Energien bedarfsgerechter einspeisen.
Zudem macht die Studie deutlich, dass wir die erneuerbaren Energien an den Wettbewerbsmarkt heranführen müssen.
Das ist für mich auch die Marschroute für die Gespräche zur zukünftigen Ausgestaltung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes.
Eine weitere Herausforderung ergibt sich daraus, dass Strom aus erneuerbaren Energien nicht immer dort produziert wird, wo er gebraucht wird.
Nicht nur die Offshore-Parks, sondern auch die Onshore-Windenergie-Anlagen befinden sich in der Regel fernab von den Verbrauchszentren. Das gilt im Übrigen auch für einige neue konventionelle Kraftwerke.
Dies führt zu dem bekannten Nord-Süd-Gefälle mit Erzeugungsschwerpunkten im Norden und den Verbrauchszentren im Süden.
Folglich brauchen wir neue Übertragungsleitungen, also Stromautobahnen von Norden nach Süden.
Gleichzeitig nimmt die Dezentralisierung der Stromerzeugung zu.
Ich denke an die Photovoltaikanlagen auf den Dächern, die kleinen Windparks oder die vielen kleinen Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung.
Hier wird der Individualverbraucher immer öfter auch zum Stromerzeuger.
Früher musste der Strom nur von den Übertragungsnetzbetreibern durch die Verteilnetze zu den Endverbrauchern transportiert werden.
Heute müssen die Netze den Stromtransport in beide Richtungen bewältigen, das heißt von oben nach unten und von unten nach oben.
Netze sind also keine Einbahnstraßen mehr, sondern müssen Gegenverkehr im Stromfluss ermöglichen.
Netze müssen zudem an den zunehmenden EUweiten Stromhandel angepasst werden.
Deutschland als zentrales Transitland ist hier in besonderem Maße betroffen.
Was unsere Autobahnen heute schon für den Transport von Waren sind, müssen unsere Netze zukünftig für den Strom sein.
Wir brauchen deshalb einen Perspektivwechsel: Wir sollten Erzeugung, Netz und Verbrauch nicht mehr isoliert, sondern einheitlich betrachten.
Zunächst benötigen wir neue Leitungen: Schon 2005 hielt die dena-Netzstudie I allein für die Einbindung der Windenergie rund 850 km neue Höchstspannungsleitungen für notwendig.
Bis heute sind davon allerdings nur etwa 90 km in Betrieb.
Hier sind alle Akteure gefordert, den notwendigen Netzausbau zügig voranzutreiben.
Neben neuen Leitungen brauchen wir auch neue Technologien.
Zum Beispiel die HGÜ-Trassen, die bei der Anbindung von "Offshore"-Windparks bereits zum Einsatz kommen.
Mit den "intelligenten" Stromnetzen", den so genannten "Smart Grids" zielen wir auf eine intelligente Balance von Angebot und Nachfrage ab.
Schließlich müssen wir die internationale Zusammenarbeit bei Netzanbindung und Netzintegration verstärken.
Um den Netzausbau in der Nordsee besser zu koordinieren, haben wir die so genannte Nordsee-Offshore-Initiative ins Leben gerufen.
Ähnlich visionär ist ein europäisches Supergrid im Zusammenhang mit dem Wüstenstromprojekt Desertec.
Ich warne jedoch davor, sich hier zu große Illusionen zu machen.
Einfach werden wir ein europäisches Netz sicher nicht bekommen.
Wir sind also gut beraten, in erster Linie selbstständig für sicheren Strom zu sorgen.
Ein großes Hindernis für Investitionen in den Netzausbau ist leider zunehmend auch die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz, womit ich zum Schluss einen wichtigen Aspekt der Energiepolitik ansprechen möchte.
Die öffentliche Wahrnehmung energiepolitischer Vorhaben ist heute in erster Linie eine Risikowahrnehmung.
Das können wir bedauern, aber wir müssen es ernst nehmen.
Wir brauchen einen offenen Dialog nicht nur über Risiken, sondern auch über die Chancen von neuen Technologien und geplanten Vorhaben.
So können wir gegenseitiges Verständnis und Akzeptanz schaffen.
Das Energiekonzept soll auch zur Akzeptanz energiepolitischer Entscheidungen beitragen.
Die Menschen müssen wissen, wohin die Reise geht und welche sachlichen Gründe für die Entscheidungen maßgeblich waren.
Das Energiekonzept soll deshalb Stärken und Schwächen aller Formen der Energiegewinnung berücksichtigen.
Ein Beispiel ist die CCS-Technologie zur Abscheidung und Speicherung von CO2.
Nahezu alle Wissenschaftler gehen davon aus, dass wir ohne CCS unsere Klimaschutzziele kaum erreichen können.
Gerade für die weitere Nutzung der Kohle ist CCS eine wichtige Option.
Diese Zukunftstechnologie darf aber nicht das gleiche Schicksal erleiden, wie es der Transrapid oder Teile der Biotechnologie in Deutschland erfahren haben.
Wir werden auf Dauer unseren Wohlstand nicht halten können, wenn wir überall die Technologieführerschaft abgeben.
Gerade bei der Energieerzeugung dürfen uns deshalb keine Denkverbote in Bezug auf neue Technologien behindern.
Denn eines muss jedem klar sein:
Wenn durch fehlende Akzeptanz sämtliche Infrastrukturprojekte im Energiebereich behindert werden, kann sich auch nichts ändern.
Eine klimafreundliche, sichere und gleichzeitig bezahlbare Energieversorgung der Zukunft schaffen wir nur mit den notwendigen Veränderungen.
Dabei brauchen wir auch Ihre Unterstützung!
Denn ohne eine vernünftige Energieversorgung können wir auch wirtschaftlich nicht erfolgreich sein.
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Unternehmensinformation / Kurzprofil:
Datum: 01.07.2010 - 15:46 Uhr
Sprache: Deutsch
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