Energie- und Chemievorstände über den Fach- und Führungskräftemangel
Ergebnisse einer Umfrage
(industrietreff) - In diesen Tagen wird wieder einmal verstärkt über die akute Knappheit an Fach- und Führungskräften in Deutschland diskutiert - zurecht wohlgemerkt. Der Kontext ist weit und reicht von Debatten zu frühkindlichen Lernformen über die "richtigen" Studienformate bis hin zur Auswanderergesellschaft für High Potentials. Spätestens seit dem Einzug des reißerischen neudeutschen Ausdrucks "War for Talents" in den Sprachgebrauch der Diskussionsteilnehmer ist es en vogue, hier mitzureden.
Doch was sagen die Akteure dazu, die sich tagtäglich mit den Folgen dieser Knappheit auseinandersetzen müssen? Die deutschen Wirtschaftsunternehmen sind nun einmal die unmittelbar Betroffenen und ihre Spitzenmanager diejenigen, die gemeinsam mit ihren Personalexperten dieser Herausforderungen begegnen müssen. Das gilt auch für die Energie- und Chemiewirtschaft, die zu den wichtigsten Zugpferden unserer Ökonomie gehören. Obwohl ihre Unternehmen erfahrungsgemäß als attraktive (weil sichere) Arbeitgeber gelten, hat der Mangel an qualifizierten Fach- und Führungskräften auch diese beiden Wirtschaftszweige erreicht.
In unserer aktuellen Umfrage haben wir daher gezielt bei den Unternehmenslenkern dieser beiden Branchen nachgefragt, wie sie die Situation auf den Arbeits- und Ausbildungsmärkten einschätzen und was konkret unternommen werden kann. Denn egal wie man es dreht oder wendet, der Konsens bei den Entscheidungsträgern ist einhellig: Die richtige Personalausstattung ist einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste, Erfolgsfaktor im internationalen Wettbewerb.
Lesen Sie im Folgenden, wie die befragten Vorstände und Geschäftsführer der deutschen Energie- und Chemieunternehmen die Lage einschätzen.
Wo liegen die Ursachen?
Natürlich ist der vielzitierte demographische Wandel nicht ganz unschuldig an dem besagten Personalmangel. Die deutsche Gesellschaft wird immer älter und damit auch der Anteil der Erwerbstätigen. Der Altersdurchschnitt in den Energie- und Chemieunternehmen ist tendenziell recht hoch und nicht selten wurde es - zum Beispiel aus Kostengründen - versäumt, sich frühzeitig um das Rekrutieren von Nachwuchskräften zu kümmern. "Immer weniger junge Leute rücken nach", äußerte sich einer der befragten Vorstände. Doch das ist nicht alles. Neben diesem gesellschaftlichen Phänomen wird von den Unternehmensspitzen ganz konkret die Qualität der Schulabschlüsse und der Ausbildungen bemängelt. Die Diskrepanz zwischen den schulischen
Anforderungen bzw. denen des Studiums und den Bedingungen der modernen Arbeitswelt wird größer. Gemeint sind aber nicht nur fachliche Defizite in Rechtschreibung, Grammatik und Mathematik. Es fehlt auch immer häufiger an einem Mindestmaß an sozialen Manieren, Durchhaltevermögen, Disziplin und Lernbereitschaft. Man darf aber auch die Gruppe, der aus einem Unternehmen ausscheidenden Mitarbeiter, nicht vergessen. Wer erfahrene Mitarbeiter durch Frühpensionierungen oder dergleichen verabschiedet, darf sich nicht wundern, wenn das damit verlorene Know-how nicht einfach von heute auf morgen ersetzt werden kann.
Die notwendige Weitsicht für eine langfristig orientierte Personal- und Nachfolgeplanung schien in der Vergangenheit zu oft hinter die kurzfristigen Finanzinteressen der Shareholder zurückgetreten zu sein. Ein Problem, dass die betroffenen Unternehmen nun ausbaden müssen.
Welche Auswirkungen sind zu erwarten?
Das Gewinnen hoch qualifizierter Fach- und Führungskräfte wird im Grunde von allen befragten Spitzenmanagern als die wesentliche Basis für ein erfolgreiches Wachstum gesehen. Kann dem Mangel an solchen Potentialträgern nicht wirksam begegnet werden, so die Vorstände, werden die Energie- und Chemieunternehmen zwangsläufig ihre Innovationsfähigkeit verlieren und somit einen der wichtigsten Standort- und Wettbewerbsvorteile deutscher Unternehmen. Gerade die technisch-naturwissenschaftlichen Bereiche sind betroffen, wo es um die Suche nach Verfahrenstechnikern und hoch qualifizierten Ingenieuren für zum Beispiel den Chemieanlagenbau, die Kraftwerkstechnik oder die rasant wachsenden Erneuerbaren Energien geht. Deutschland wird es demnach schwer haben, in den Zukunftstechnologien weiter ganz vorne mitzuspielen.
Doch man muss sich an dieser Stelle auch fragen, wie sich die Arbeitswelt der Angestellten, die in den vom Nachwuchsmangel betroffenen Unternehmen bereits tätig sind, verändern wird. Können entstehende Personallücken nicht mit entsprechend qualifizierten Neueinsteigern geschlossen werden, bedeutet dies zwangsläufig ein steigendes Arbeitspensum für die bestehende Belegschaft und eine Steigerung der Komplexität der Aufgaben. Dies sowie das sich nach und nach erhöhende Durchschnittsalter kann zudem die Krankheitsquote und damit auch das Produktivitätsrisiko ansteigen lassen. Gleichzeitig kann das für den Betrieb so wichtige implizite Wissen in Form von langjährigen Erfahrungswerten nicht weitergegeben werden, wenn niemand da ist, um es aufzunehmen.
Was wird unternommen?
Den negativen Auswirkungen des Fach- und Führungskräftemangels entgegen zu wirken ist laut Umfrage keine einfache Aufgabe und sicherlich keine, die von einer reinen Personalverwaltung gestemmt werden kann. Dafür bedarf es eines professionellen Personalmanagements. Doch hat dieses Ressort in vielen Unternehmen bis heute nicht den Stellenwert – geschweige denn die Kompetenzen oder die Budgetausstattung – der dafür notwendig wäre. Ein Umstand, der schnellstmöglich geändert werden sollte, zumal in den nächsten Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen und die entstehenden Personallücken umso größer werden.
„Die Personalstrategie in unserem Unternehmen muss sich zukünftig noch konsequenter am Lebenszyklus der Mitarbeiter orientieren", äußerte sich ein Vorstandsmitglied aus der Energiebranche. Die Betrachtung der Mitarbeiter muss von der Rekrutierung über die Förderung und Entwicklung bis hin zur Nachfolgeplanung und einem geplanten Ausscheiden reichen. Dabei werden Leistungen, wie Kinderbetreuung, familiengerechte Arbeitszeitmodelle und Gesundheitsförderung, nicht mehr nur nice to have, sondern wesentliche Entscheidungsfaktoren für oder gegen einen Arbeitgeber sein.
Der Wettbewerb um gutes Personal wird übrigens branchenübergreifend geführt. Was bleibt den Akteuren auch anderes übrig, wenn der fachspezifische Nachwuchs fortbleibt. Hochschulmarketing und der Ausbau des Employer Branding werden hier als wichtige Stichworte genannt. Die Entwicklung, dass sich die Unternehmen als potentieller Arbeitgeber immer früher in die Ausbildung ihrer zukünftigen Angestellten involvieren, wird weitergehen. Stipendien und von Unternehmen eingerichtete und finanzierte Lehrstühle waren erst der Anfang. Ihr Blick fällt heute schon vereinzelt auf die Schulen und Vorschulen, wo es sich als attraktiver Arbeitgeber in spe zu platzieren gilt.
Hinzu kommt für die Unternehmen die Notwendigkeit, die eigene Ausbildungsfähigkeit zu verbessern und sich auf diesem Weg den geeigneten Nachwuchs selbst heranzuziehen. Das funktioniert aber nur so lange, wie sich dieser auch tatsächlich wohl und wertgeschätzt fühlt. Das heißt auch hier muss wieder eine berufsbegleitende konsistente Personalentwicklung greifen, die einerseits für die notwendige zusätzliche Qualifizierung für neue Aufgaben, andererseits für die subjektive Anerkennung durch den Arbeitgeber sorgt.
Das dies nicht ohne entsprechende Investitionen in das unternehmenseigene Personalentwicklungssystem geht, ist allen befragten Vorständen bewusst. Die Personalpolitik, so wurde von einem Teilnehmer gesagt, darf nicht abhängig gemacht werden von optimierten Quartalszahlen. Ganz abgesehen davon, dass der ROI (Return On Investment) einer Investition in Bereiche wie Personalrekrutierung, -entwicklung und -marketing auf lange Sicht maßgeblich sein dürfte.
Fazit
Ja, er ist akut, der Fach- und Führungskräftemangel in Deutschland und nach Einschätzung der meisten befragten Vorstände der Energie- und Chemiewirtschaft wird er sich in den kommenden Jahren verschärfen. Dieser Herausforderung müssen sich die Unternehmen, ihre Lenker und deren Personalexperten zwangsläufig stellen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Ressource "Personal" als einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren im internationalen Wettbewerb weiter an Bedeutung zunehmen wird.
Als ein Grund für den akuten Mangel an qualifiziertem Personal wird der demographische Wandel gesehen. Doch auch die Qualität der Schul- und Ausbildungsabschlüsse sowie das Fehlen von sozialen Manieren, Disziplin und Lernbereitschaft wird bemängelt. Andererseits forcieren Programme zur Frühpensionierung oder Altersteilzeit durch das Freisetzen von erfahrenen Know-how Trägern die Lage zusätzlich.
Sollte dem Fach- und Führungskräftemangel nicht erfolgreich begegnet werden können, sehen die befragten Energie- und Chemiemanager die Innovationsfähigkeit ihrer Unternehmen in Gefahr. Ein Desaster für ein Land, dass gerade bei den Zukunftstechnologien und im Bereich der Erneuerbaren Energien seine Vorreiterrolle am Weltmarkt behaupten will.
Um diesen und weiteren negativen Folgen entgegen zu wirken, bedarf es in den Unternehmen eines aktiven, professionellen und natürlich auch entsprechend ausgestatteten Personalmanagements. Die Bindung guter, erfahrener Mitarbeiter und die Gewinnung vielversprechenden Nachwuchses werden immer wichtiger. Aus diesem Grund dürfen familiengerechte Arbeitszeitmodelle, ein ausgeklügeltes Hochschulmarketing und die Optimierung des Employer Branding zukünftig keine gutgemeinten Randerscheinungen der unternehmerischen Personalarbeit sein, sondern müssen in deren Mittelpunkt stehen.
Der War for Talents wird weitergehen und gerade mit Blick auf die Top-Nachwuchskräfte und Potentialträger werden wir in den nächsten Jahren ein "Hauen und Stechen" erleben. Diese Klientel wird in der komfortablen Lage sein, mehrere Joabangebote vergleichen und Rosinenpicken betreiben zu können. Da sind die Unternehmen gut beraten, sich frühzeitig als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Keine einfachere, aber eine unumgängliche Aufgabe.
Claus-Peter Barfeld, Geschäftsführender Gesellschafter der Barfeld & Partner GmbH
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Unternehmensinformation / Kurzprofil:
Die Barfeld & Partner GmbH konzentriert ihre nationale sowie internationale Beratungs-tätigkeit auf die gezielte Suche nach Führungskräften sowie Integrationscoaching und Management-Audit. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Vermittlung von Firmen bzw. Beteiligungen an Unternehmen im In- und Ausland. Die Sozietät steht den Unternehmen der Energie- und Chemiewirtschaft seit nunmehr fast 30 Jahren als Branchenspezialist zur Verfügung.
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Datum: 05.04.2011 - 15:42 Uhr
Sprache: Deutsch
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Ansprechpartner: Frau Smilja Milutinovic
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Mülheim an der Ruhr
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Chemische Industrie
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