Nachfrage in der Agrochemie zieht wieder an / Pflanzenschutzmarkt stabil, Düngemittelmärkte wieder auf Wachstumskurs - Branche klagt über schleppende Umsetzung europäischer Regulierungen (mit Bild)
(ots) -
Die deutschen Märkte für Pflanzenschutz und Düngemittel haben sich
im zurückliegenden Jahr weiter stabilisiert. Im Pflanzenschutzbereich
blieb der Nettoinlandsumsatz 2010 in Deutschland trotz schwieriger
Witterungsbedingungen mit 1,255 Milliarden Euro (2009: 1,262 Mrd.
Euro) nahezu unverändert; im Düngejahr 2009/2010 (Juli - Juni) stieg
der Nährstoffabsatz teils deutlich an. Bei Stickstoff betrug der
Zuwachs 1,2 Prozent (1,57 Mio. Tonnen), während der Phosphatabsatz um
34,9 Prozent auf 235.000 Tonnen und der Kaliabsatz nach zuvor
dramatischen Einbrüchen um 102,5 Prozent auf 363.000 Tonnen
wesentlich stärker zunahmen. Auch im laufenden Düngejahr 2010/11 kann
von insgesamt weiter steigenden Absätzen ausgegangen werden. Diese
Zahlen präsentierte der Industrieverband Agrar e. V. (IVA) heute auf
seiner Jahrespressekonferenz. Der Wirtschaftsverband vertritt die
Interessen der agrochemischen Industrie in Deutschland.
"Das Agribusiness in Europa steht vor einer paradoxen Situation",
sagte IVA-Präsident Theo Jachmann: "Auf der einen Seite zeigen die
Preissprünge für Agrarrohstoffe in den zurückliegenden Monaten, dass
die Produktion von Nahrungsmitteln mit dem wieder stark steigenden
Bedarf kaum noch Schritt hält. Das Resultat sind höhere Preise, die
vor allem die ärmsten Regionen der Welt treffen. Auf der anderen
Seite scheint dies Europa wenig zu bekümmern. Die Produktivität
unserer Landwirtschaft wird im internationalen Vergleich immer mehr
behindert, sodass wir inzwischen zum Nettoimporteur von
Agrarrohstoffen geworden sind. Die jüngsten Vorschläge der
Europäischen Kommission zur gemeinsamen Agrarpolitik lassen vermuten,
dass auch weiterhin nicht die landwirtschaftliche Produktivität,
sondern die Bürokratie hinzugewinnen wird."
Der Pflanzenschutzmarkt 2010
Trotz ungünstiger Witterungsbedingungen mit kurzen
Vegetationsperioden und dementsprechend knappen Anwendungszeiträumen
schrumpfte der deutsche Pflanzenschutzmarkt 2010 im Jahresvergleich
nur geringfügig um 0,6 Prozent, die Exporterlöse fielen um 4,7
Prozent auf 2,835 Milliarden Euro (2009: 2,975 Mrd. Euro). Der
Gesamtumsatz der IVA-Mitgliedsunternehmen belief sich auf 4,09
Milliarden Euro, was einem Rückgang von 3,5 Prozent gegenüber dem
Vorjahr entspricht (2009: 4,237 Mrd. Euro). Im Jahr 2010 sind in
Deutschland 97.636 Tonnen Pflanzenschutz-Wirkstoffe hergestellt und
damit 2,3 Prozent mehr als im Vorjahr produziert worden (2009: 95.433
Tonnen). Der Wirkstoffexport ist um 4,8 Prozent auf 105.678 Tonnen
angestiegen (2009: 100.843 Tonnen).
Auf dem deutschen Markt erzielten die IVA-Mitgliedsunternehmen mit
Herbiziden (Unkrautmittel) einen Umsatz von 540 Millionen Euro (+0,4
Prozent), mit Fungiziden (Pilzbekämpfung) einen Umsatz von 506
Millionen Euro (-0,6 Prozent) und mit Insektiziden 138 Millionen Euro
(-0,7 Prozent). Der Umsatz mit sonstigen Pflanzenschutzmitteln (z. B.
Schneckenmittel oder Wachstumsregler) ging um 4,1 Prozent auf 71
Millionen Euro zurück.
Für das laufende Jahr sieht Jachmann Anzeichen für gute
Wachstumschancen im Pflanzenschutzgeschäft. "Nach dem Rekordjahr 2008
kam die Ernüchterung in den beiden Folgejahren, wobei die Ursachen
vor allem in der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung zu suchen
waren. Mit den stark anziehenden Preisen für Agrarrohstoffe haben
sich die Perspektiven für die Landwirte und damit für das gesamte
Agribusiness merklich verbessert. Noch sind wir früh in der Saison,
aber die bisherigen Marktsignale geben Anlass zu Optimismus", sagte
Jachmann.
EU-Pflanzenschutzpaket: weiterhin viele offene Fragen
Kritisch hingegen sieht Jachmann, dass die geplante Novelle des
deutschen Pflanzenschutzgesetzes, mit der zentrale Teile des
EU-Pflanzen-schutzpakets umgesetzt werden sollen, sich weiter
hinzieht. Zwar ist die EU-Verordnung 1107/2009 zur Zulassung von
Pflanzenschutzmitteln ab dem 14. Juni 2011 in allen Mitgliedstaaten
geltendes Recht, die Organisation des Zulassungsverfahrens jedoch ist
Sache des nationalen Gesetzgebers. Die EU-Rahmenrichtlinie zur
nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die zweite Säule
des EU-Pflanzenschutzpakets, muss dagegen in nationales Recht
umgesetzt werden. In Teilen wird dies auch im novellierten deutschen
Pflanzenschutzgesetz erfolgen.
In der Öffentlichkeit wurden zuletzt die Zuständigkeiten der an
der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln beteiligten Behörden
kontrovers diskutiert. Dazu stellt Jachmann klar: "Es ist allein an
der Politik zu entscheiden, wer an welcher Stelle und mit welcher
Kompetenz am Zulassungsverfahren mitwirkt. Wichtig für die deutsche
Pflanzenschutz-Industrie ist, dass wir zu einem zügigen und
effektiven Verfahren gelangen. Dieses muss einerseits dem hohen
Schutzniveau für Verbraucher und Umwelt Rechnung tragen, andererseits
aber auch dafür sorgen, dass unsere Landwirte rasch die Produkte
erhalten, die sie benötigen, um ihre Ernten nachhaltig zu schützen."
Der Düngemittelmarkt 2010/11
Der Verbrauch von Mineraldüngern nimmt weltweit wieder zu. Auch in
Deutschland steigt der Absatz. Nach den bis einschließlich März
vorliegenden Statistiken liegt der Inlandsabsatz an Stickstoffdüngern
um rund sieben Prozent über dem Durchschnitt der zurückliegenden fünf
Jahre. Hermann Kuhlmann, Vorsitzender des Fachbereichs
Pflanzenernährung im IVA, geht davon aus, dass die starke
Inlandsnachfrage bis zum Ende der Saison im Juni anhalten wird. Auch
beim Kaliabsatz erwartet der Verband für die laufende Saison einen
deutlichen Verbrauchszuwachs. Etwas verhaltener wird die Entwicklung
des Phosphatabsatzes beurteilt.
"Hauptursache für die wachsende Nachfrage nach Mineraldüngern sind
die seit Mitte vergangenen Jahres stark gestiegenen
landwirtschaftlichen Erzeugerpreise", sagte Kuhlmann. Trotz der
höheren Düngemittelpreise erzielen die Landwirte auch nach Abzug der
Düngerkosten höhere Erlöse als noch vor einem Jahr. Die Düngerpreise
sind daher in Relation zu den landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen
nach wie vor günstig. Das derzeitige Preisniveau wirkt sich nicht
verbrauchsdämpfend aus.
Entsprechend der Absatz- und Preisentwicklung haben sich auch die
Umsätze der IVA-Mitgliedsunternehmen des Fachbereichs
Pflanzenernährung positiv entwickelt und sich im Vergleich zum
Vorjahr um 35 Prozent erhöht. Insbesondere der Inlandsumsatz
profitierte von der wieder gestiegenen Nachfrage und legte um über 90
Prozent zu. Der Exportumsatz stieg im Vergleich zum Vorjahr um 9
Prozent.
Klimaschutz durch Intensivierung der Landwirtschaft
Kuhlmann ging auch auf die Diskussion zur Reduzierung der
Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft ein. Er wies es als
Irrglauben zurück, dass die landwirtschaftliche Produktion zur
Reduzierung von Treibhausgasemissionen extensiviert und insbesondere
die heutige Stickstoffdüngung reduziert werden muss. Dies bestätigte
zuletzt eine aktuelle Studie der Stanford University, die zu dem
Schluss kam, dass ohne die Intensivierung der landwirtschaftlichen
Produktion seit 1961 rund 500 Milliarden Tonnen Treibhausgase (THG)
mehr freigesetzt worden wären - das entspricht der zehnfachen Menge
aller globalen THG-Emissionen pro Jahr.
"Frühere Berechnungen zur Weizenproduktion haben ergeben, dass bei
einer Stickstoffdüngung in optimaler Höhe nach guter fachlicher
Praxis weniger Treibhausgase je Tonne Weizen emittiert werden als bei
reduzierter Stickstoffdüngung", betonte Kuhlmann. Diese führe zwar zu
weniger Emissionen pro Hektar Fläche, aber auch zu deutlich
niedrigeren Erträgen. Um die gleiche Weizenmenge zu erzeugen, müssten
bei reduzierter Düngung neue Ackerflächen in Kultur genommen werden,
was zu einer zusätzlichen Freisetzung von Kohlendioxid führt. Die
Forscher der Stanford University berechneten jetzt, dass ohne
Intensivierung zusätzlich 1,76 Milliarden Hektar Ackerfläche in
Kultur genommen werden müssten, um die derzeitige Weltbevölkerung mit
ausreichend Nahrung zu versorgen. "Eine Extensivierung des Ackerbaus
würde folglich zu einem Ansteigen der Treibhausgasemissionen aus der
Landwirtschaft führen und letztlich dem Klima stark schaden", sagte
Kuhlmann.
Der Industrieverband Agrar e. V. (IVA) vertritt die Interessen der
agrochemischen Industrie in Deutschland. Zu den Geschäftsfeldern der
51 Mitgliedsunternehmen gehören Pflanzenschutz, Pflanzenernährung,
Schädlingsbekämpfung und Biotechnologie. Die vom IVA vertretene
Branche steht für innovative Produkte für eine moderne und
nachhaltige Landwirtschaft.
Pressekontakt:
Industrieverband Agrar e. V., Pressestelle
Martin May
Tel.: +49 69 2556-1249 oder +49 151 54417692
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E-Mail: may.iva(at)vci.de
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