Chemische Industrie Baden-Württemberg: Konjunkturrisiken durch hohe Energie- und Rohstoffkosten / Nur schwaches Umsatzwachstum 2012 / Beschäftigung bleibt stabil
(ots) - 20. März 2012. Die Stimmung in der
baden-württembergischen Chemie-Branche ist gedämpft optimistisch. Die
Unternehmen rechnen 2012 mit nur geringen Umsatzzuwächsen. Die
konjunkturelle Erholungsphase wird nach Angaben von Thomas Mayer,
Hauptgeschäftsführer der Chemie-Verbände Baden-Württemberg, eine
Pause einlegen.
Konjunkturprognose 2012
Die chemische Industrie erwartet in diesem Jahr eine nur leicht
anziehende Konjunktur. Die Branche rechnet in Baden-Württemberg mit
Umsatzzuwächsen von ein bis zwei Prozent.
Die Prognosen zu den Umsätzen basieren insbesondere auf dem
Export: 41 Prozent der Chemie-Unternehmen erwarten Zuwächse im
Auslandsgeschäft.
Die größeren Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten rechnen mit
einer vergleichsweise besseren konjunkturellen Entwicklung. Die
Prognosen der KMU sind dem gegenüber zurückhaltender. Risiken und
Belastungsfaktoren für die Geschäftsentwicklung 2012 sieht die
Branche vor allem bei den Rohstoff- und Energiekosten. Die
Chemie-Unternehmen rechnen für das laufende Jahr mit stabilen bis
leicht ansteigenden Beschäftigtenzahlen.
2011 ist der Jahresumsatz der chemischen Industrie
Baden-Württembergs um 7,6 Prozent auf 17,9 Milliarden Euro gestiegen.
Dabei entwickelte sich das Binnengeschäft deutlich schwächer als der
Export (+9,1 Prozent). Die Zahl der Beschäftigten ging leicht zurück
(-0,5 Prozent).
Wirtschaftliche Situation bei den Herstellern von Farben und
Lacken
Die Wirtschaftslage der baden-württembergischen Farben- und
Lackproduzenten war im zurückliegenden Jahr insgesamt positiv. Der
Umsatz von 8,3 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro lag im Trend der
Bundesentwicklung. Damit konnte die Lackbranche wieder an das
Vorkrisen-Niveau anknüpfen. Der Personalstand in diesen Unternehmen
erhöhte sich im letzten Jahr um 1,3 Prozent.
Für 2011 rechnen die Hersteller von Farben und Lacken mit einer
weiterhin positiven Beschäftigungsentwicklung. Fast jeder zweite
Betrieb will die Zahl der Arbeitsplätze erhöhen.
Wirtschaftliche Situation bei den Arzneimittelherstellern
Die Umsätze der pharmazeutischen Industrie in Baden-Württemberg
haben sich im Vorjahr um 7,9 Prozent auf 7,9 Milliarden Euro erhöht.
Der Auslandsumsatz stieg gegenüber 2010 um 10,5 Prozent, das
Inlandsgeschäft nur um 1,9 Prozent. Damit gehen inzwischen 72 Prozent
der in Baden-Württemberg hergestellten Medikamente in den Export. Die
Umsätze im heimischen Markt gingen in den letzten Jahren um mehr als
ein Viertel zurück (26,7 Prozent seit 2006). Vor allem viele kleine
Pharma-Unternehmen, die nur wenig exportieren können, befinden sich
in einer wirtschaftlich angespannten Lage. Die Zahl der Beschäftigten
in den Pharma-Unternehmen nahm 2011 um 1,2 Prozent ab.
Die wirtschaftlichen Prognosen für 2012 sind bei den
Arzneimittelherstellern überwiegend pessimistischer als in der
gesamten Chemie-Branche. Jedes vierte Unternehmen der
baden-württembergischen Pharmabranche rechnet 2012 mit einem Verlust.
Nach Angaben von Thomas Mayer, Hauptgeschäftsführer der
Chemie-Verbände Baden-Württemberg, liegt dies insbesondere an den
gesetzlichen Rahmenbedingungen. Kein Markt sei von so einem
undurchsichtigen Gesetzesdschungel belastet, wie der deutsche
Arzneimittelmarkt. Die Zulassung und Herstellung von Medikamenten
werde von Jahr zu Jahr teurer und aufwändiger.
Beispielhaft nannte Mayer das ab August 2009 wirkende
Preismoratorium. Außerdem den 16-prozentigen Zwangsabschlag für
verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Festbetrag. Er fordert die
Bundesregierung auf, ihre Entscheidung, den Zwangsabschlag bis Ende
2013 beizubehalten, zu revidieren.
Energiekosten gefährden zunehmend dem Chemie-Standort Mit Sorge
beobachtet die chemische Industrie, dass sich die Energiepreise zu
einer immer größeren Gefahr für den Standort entwickeln.
Dr. Gerd Backes, Vorsitzender des baden-württembergischen
Verbandes der chemischen Industrie, forderte deshalb eine strategisch
angelegte Industriepolitik. Deren zentrale Aufgabe müsse die
wettbewerbsfähige Versorgung mit Energie sein.
Dies gelte zum Einen für die Bezahlbarkeit: Der
EU-Emissionshandel, das Energiesteuergesetz, das
Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz
kosten die chemische Industrie bundesweit zur Zeit jährlich ca. 1,3
Mrd. Euro. Tendenz: stark steigend. Diese politisch bedingten
Zusatzkosten liegen für die Branche in Baden-Württemberg aktuell bei
mehr als 100 Mio. Euro pro Jahr.
Zum Anderen wies Backes auf die Versorgungssicherheit hin: Demnach
konnte die Stromversorgung im Südwesten bisher nur durch
Inanspruchnahme von Leistungen aus österreichischen
Reservekraftwerken sichergestellt werden. Außerdem wurde eine vom
Land vorgesehene "Kaltreserve" (Block 3 des Großkraftwerkes Mannheim)
aktiviert. Eine derart auf Kante genähte Energieversorgung bereite
der Branche immer größeres Kopfzerbrechen.
Hinzu kommt, dass das Land Baden-Württemberg ein eigenes
Landesklimaschutzgesetz verabschieden will. Dieses Gesetz soll
zusätzlich von einem integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept
begleitet werden. Dabei könnte es zu noch ehrgeizigeren
Klimaschutzzielen kommen als auf Bundes- oder EU-Ebene. Die chemische
Industrie befürchtet einen regionalen Sonderweg für
Baden-Württemberg.
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